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Fern wie Sommerwind

Fern wie Sommerwind

Titel: Fern wie Sommerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
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Tür.
    »Da ist ein Max am Telefon und fragt, ob du morgen wieder auf der Matte stehst.«
    »Ja. Natürlich. Sag ihm bitte, ich bin pünktlich da.«
    Ich trinke die letzten Schlucke Tee und kuschele mich in mein Kissen, mache noch einmal Martins CD zum Einschlafen rein.
    Seit wir hier arbeiten, essen wir fast jeden Abend bei Dario. Mittlerweile macht sich eine gewisse Routine bemerkbar. Ich bestelle wie immer, Rocco besorgt Besteck, Ruth verteilt die Servietten, Martin leert den Aschenbecher und James liest laut die Nachrichten von Spiegel.de vor.
    Wir lauschen seiner monotenen Stimme, beobachten das Treiben in der Fußgängerzone und Dario, wie er mit dem Pizzateig jongliert.
    »Tja also …«, seufzt Rocco genüsslich.
    »Tja was?« Martin zieht die Augenbrauen hoch.
    »Tja … nichts!«, antwortet Rocco und verschränkt die Arme hinter dem Kopf.
    »Was ist das für eine Aussage?«
    »Gar keine, du Vogel!« Rocco zieht eine Grimasse.
    »Aber warum …?«
    »Nur so!«
    »Das macht echt keinen Sinn!«
    »Ach, du schon wieder!«
    Ruth und ich sehen die Jungs an, dann einander und dann brechen wir in lautes Gelächter aus.
    Martin und Rocco fragen gleichzeitig: »Was?«
    »Ach gar nichts. Ihr benehmt euch wie ein altes Ehepaar«, grinst Ruth, und ich nicke zustimmend.
    »So einen Blödsinn hab ich ja noch nie gehört!« Rocco regt sich künstlich auf und zwinkert dabei.
    »Jawohl, ein altes keifendes Ehepaar!«, schiebt Ruth hinterher.
    »Die Mädchen sind übergeschnappt!« Rocco steht auf und gestikuliert wild.
    Ich amüsiere mich, und während ich zwischen den beiden hin und her schaue, streift mein Blick den von Martin. Einen ernsten Blick. Und ich halte kurz inne und da passiert etwas mit der Zeit, plötzlich wirkt alles wie in Zeitlupe. Martin neigt seinen Kopf nach unten und dann wieder hoch, und während er ihn hebt, schaut er mich unter seinen Wimpern an, dass ich das Gefühl habe, er würde ganz tief in mich hineinsehen. Dann lächelt er und die Grübchen erscheinen neben seinem Mund. Und das ist das Schönste, was ich je gesehen habe.
    Dann kehrt die echte Zeit wieder zurück. Mein Kopf schwingt zur Seite, in Roccos Richtung, der wieder einen dummen Witz gerissen hat.
    »Könnt ihr nicht einfach mal die Klappe halten?«, fährt James dazwischen, der sich in seiner Lektüre gestört fühlt. »Nur einen Moment? Das kann doch nicht so schwer sein! Was für ein Kindergarten! Immer müssen sie reden. Reden, lachen, reden, lachen. Als ob das irgendwas ändert.«
    »Bitte?« Jetzt kann sich niemand mehr beherrschen und wir alle müssen ganz furchtbar lachen. Rocco klopft sich auf die Schenkel. James tut so, als würde ihm das sonstwo vorbeigehen, aber in Wirklichkeit freut er sich bestimmt, dass er uns so viel Grund zum Lachen geliefert hat.
    Das geht so lange, bis endlich die Pizza kommt.
    Dario setzt sich während einer kleinen Pause zu uns und zündet sich eine Zigarette an.
    »Mann, du hast es echt gut«, sagt Rocco und legt ihm die Hand auf die Schulter. »Du hast das hier immer: Sonne, Strand, Lagerfeuer, Jetski. Dein Leben muss echt der Hammer sein.«
    »Ach ja?« Dario grinst. »Du hast echt so was von keine Ahnung.«
    »Also ich an deiner Stelle …« Rocco pfeift zwischen seinen Zähnen hindurch.
    »Du an meiner Stelle? Soll ich dir mal sagen, wie das läuft? Du an meiner Stelle müsstest jeden Morgen um sechs Uhr aufstehen, weil dir dann zum Zähneputzen und Frühstück runterschlucken ’ne halbe Stunde bleibt. Gleich musst du los, hierher, in diesen Laden, und schon beim Öffnen der Tür schlägt dir dieser Geruch vom Backen und Frittieren und Braten entgegen, dieser Geruch, den du gestern Nacht echt lange probiert hast, dir von der Haut zu schrubben. Vergeblich natürlich.
    Du an meiner Stelle hast also gerade den Laden aufgeschlossen, willst alles vorbereiten, hast das Radio eingeschaltet, da traust du deinen Augen nicht, steht doch tatsächlich der erste Gast vor der Tür, weil er ’ne Pizza will. Um kurz nach sieben! Und wenn der gerade aufgestanden wäre, dann gut, dann könnest du das seltsam finden, aber sympathisch irgendwie, dass der Typ sich zum Frühstück ’ne Pizza reinziehen will. Nur ist der nicht gerade aufgestanden, nee, der ist einfach noch wach, der blanke Hohn, durchzechte Nacht in dieser schrecklichen Dorfdisco, in die du an meiner Stelle natürlich auch ab und zu gehst, weil, etwas anderes gibt es hier nicht, es sei denn, du magst mit den Räucherfischverkäuferinnen über

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