Fern wie Sommerwind
Tausch eingelassen habe. Die Kühlakkus wiegen schwer, daran hatte ich gar nicht gedacht. Popcorn wäre mir tausendmal lieber gewesen.
Am Strand trennen wir uns, wünschen Erfolg und ermahnen den anderen, der jetzt mit unserer Ware unterwegs ist, auch ja guten Umsatz zu machen.
Ich sehe Martin nach, wie er mit meinen Drachen davonstolziert. Beschwingt. Mit Sicherheit ist er ein guter Drachenverkäufer. Die kleinen Mädchen werden ihm zu Füßen liegen – mit seinen wuschelige blonden Haaren, seinen hochgekrempelten Jeans und dem weißen Shirt, das im Wind flattert.
Martin, Ruth, Rocco und sogar James sind mir richtig ans Herz gewachsen. Ich fühle mich bei ihnen ausnahmslos wohl und wir haben auch schon eine Menge miteinander erlebt. Meine Mutter würde sich sicher wundern. Ihr Argument, ich wäre wegen meines Einzelkindstatus nicht gruppenfähig, ist hiermit offiziell widerlegt. Das muss ich ihr unbedingt schreiben.
»Ein Cornetto Nuss, ein Magnum Mandel und zwei Ed von Schleck, bitte.« Da ist er wieder. Der Mann aus der Disco, dreist grinsend steht er da in seiner unvorteilhaften Badehose.
Ich fühle mich ertappt, werde rot, senke den Blick und wühle mich durch die Eistruhe. Was für ein Durcheinander! Rocco ist ein echter Chaot. Ich sammele mich kurz, bevor ich dem Mann sein Eis in die Hände drücke.
»Wegen der Sache in der Disco …« Er zögert und wartet auf meine Reaktion.
Aber ich beschließe, nicht weiter darauf einzugehen. »Das macht sieben vierzig.« Mein Blick ist kühl, das Lächeln aufgesetzt.
»Wenn du meinst.« Der Mann kramt umständlich in seinem Portemonnaie und sucht nach Worten, aber es fällt ihm nichts ein. Er drückt mir einen Zehner in die Hand. »Stimmt so.«
»Ich nehme kein Trinkgeld.« Ich fische aus meinem Wechselgeldbeutel den Rest und drücke ihm die Münzen in die Hand. Dann wende ich mich ab und gehe davon, den Kopf hoch erhoben.
Wahrscheinlich wollte er irgendwas erzählen von zu viel Alkohol und dass er sonst nicht so ist, oder irgendeinen anderen Mist, aber ich bin glücklich und stolz, dass ich mich nicht in ein Gespräch habe verwickeln lassen. So etwas wie dort in der Disco, das wird mir nicht noch einmal passieren, das habe ich mir geschworen. Nach dieser Sache hatte ich daran gedacht, meine Mutter anzurufen, mit ihr über diesen Vorfall zu reden und zu fragen, wie man sich richtig verhalten kann, aber schließlich habe ich es doch nicht getan. Ich wollte nicht, dass Mama sich Sorgen macht oder gar glaubt, ich würde mit solchen Dingen nicht alleine fertigwerden. Das ist es wohl. Jetzt muss ich nämlich mit einigen Dingen selber fertigwerden. Und das ist beängstigend, aber auf der anderen Seite verleiht es einem auch Kraft, wenn man sich seiner Angst erst mal gestellt hat.
Das Eis verkauft sich wie von selbst. Ich muss zur Mittagszeit Nachschub holen. Max schnauzt ein bisschen rum, dass er nicht umsonst so die Waren aufgeteilt hat und dass er es zum Kotzen findet, wenn so kleine Halbstarke ihr eigenes Ding drehen müssen. Noch mal will er das nicht sehen, wo kommt man denn da hin, wenn jeder plötzlich macht, was er will.
Ich höre mir die Predigt brav an und nicke ein paar Mal, bis Max sich endlich beruhigt und die Ware rausrückt. »Der Bonus fällt für euch damit flach!«
Als ich wieder Richtung Strand laufe, sehe ich am Strandaufgang einen der Bockwurstjungs hochkommen. Also ist es wirklich so, sie laufen jetzt eine andere Strecke als wir. Ob Max mit denen gesprochen hat? Ob er sie schützt, weil sie Einheimische sind?
In der Pause treffen wir uns alle an der Promenade und essen geräucherten Fisch im Brötchen mit Salat und trinken Limo.
»Ich habe euch gleich gesagt, dass das eine dämliche Idee ist«, triumphiert James, als er das von dem Bonus hört. »Ich jedenfalls krieg meinen Bonus.«
»Max will sich nur aufspielen. Der macht einen auf Boss«, sagt Rocco.
»Aber er ist doch unser Boss«, widerspricht Ruth und zieht am Strohhalm ihrer Limo.
»Na und? Scheiß auf den Boss!« Rocco zuckt mit den Schultern.
»Scheißt du eigentlich auf alles?« Ruth sieht ihn herausfordernd an.
Rocco macht eine wegwerfende Handbewegung und wendet sich ab.
Ich wundere mich über diese plötzlich angespannte Stimmung. Habe ich etwas verpasst?
»Beruhigt euch«, wirft Martin ein. »Wird schon nicht so schlimm sein. Wir haben doch trotzdem guten Umsatz gemacht.«
Er zeigt mir stolz den Rucksack mit den Drachen, wo nur noch wenige drin sind. »Die kleinen
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