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Ferne Tochter

Ferne Tochter

Titel: Ferne Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Ahrens
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Entscheidung ist. Er kennt sie nicht.
    Ich werde künftig einmal im Monat nach Hamburg reisen, mein Flug für den 30 . September ist gebucht.
    Selina meldet sich ein paar Tage nach unserem Treffen, um zu fragen, ob es mir besserginge. Sie habe mein merkwürdiges Verhalten in der Pizzeria darauf zurückgeführt, dass mir der Besuch bei meiner Mutter noch in den Knochen gesteckt hätte. Ich widerspreche ihr nicht.
    Ich finde in meinen gewohnten Rhythmus zurück, bald bin ich mit dem Engel fertig.
    Seit dem Gewitter sind die Temperaturen erträglich, ich gehe wieder zweimal in der Woche Walken am Gianicolo. Auf dem Weg dorthin komme ich an der Aurelianischen Mauer vorbei. Die Erinnerung an den Alptraum verblasst, ich war überreizt, Mutter schickt keine Briefe an Francesco.
    Sie habe sich sehr über die Postkarte gefreut und könne meinen nächsten Besuch kaum erwarten, teilt mir Tanja Schmidt am Telefon mit.
    »Schön«, sage ich.
    »Aber ein Umzug nach Rom wäre nicht gut für Ihre Mutter. Sie hat große Angst vor Veränderungen, was kein Wunder ist bei ihrer Verfassung.«
    »Ich werde nicht mehr darauf zurückkommen«, antworte ich.
    Francesco findet sich damit ab, dass ich in den nächsten Monaten oder Jahren viel unterwegs sein werde. Es rührt mich, wie er sich um mich kümmert, Kino- und Konzertbesuche organisiert, Freunde zum Essen einlädt und darauf besteht, dass ich einmal in der Woche zur Massage gehe. So etwas gönne ich mir sonst nie.
    Wenn ich aus Hamburg zurück bin, werden wir nach Sardinien fahren. Im Oktober ist das Meer noch warm genug zum Schwimmen.
    Ich denke oft an Tessa, aber nicht mehr so oft wie nach meiner Rückkehr. Ich werde nicht bei Harald Jansen anrufen, ihm auch nicht schreiben. Es ist besser so. Für uns alle.

[home]
    24.
    I ch nehme wieder den Zug nach Fiumicino, mir sitzen keine grell geschminkten, alten Frauen gegenüber, die Klimaanlage fällt nicht aus, wir halten nicht auf offener Strecke.
    Am Flughafen kaufe ich mir einen Roman von Ian McEwan,
Sabato.
Wochenlang habe ich mich nicht auf Bücher, nur auf die Tageszeitung konzentrieren können. Das kenne ich sonst nicht.
    Francesco meint, ich solle englischsprachige Romane im Original lesen. Ich würde höchstens die Hälfte verstehen. Er hat ein Jahr in Harvard studiert, ich habe nicht mal Abitur.
    Übersetzungen ins Deutsche lese ich nicht mehr, wir besitzen kein einziges deutsches Buch. Ob es die Buchhandlung am Mühlenkamp noch gibt?
    Auf der Rückseite von
Sabato
heißt es, dass es in dem Roman darum gehe, wie sich das Leben von einem Moment zum anderen verändern könne, zum Guten oder zum Schlechten. Mein Thema. Wenn Claudia nicht angerufen hätte … Ich bin nicht mehr wütend auf sie.
    Die Maschine nach Hamburg startet pünktlich, ich sitze am Fenster, die Plätze neben mir sind frei. Vor einem Monat war ich aufgeregt. Jetzt bin ich ruhig, freue mich beinahe darauf, Mutter zu sehen.
    Eine Durchsage informiert uns über das Wetter in Hamburg, strahlender Sonnenschein bei 25  Grad. Wärmer als Ende August.
    Kurz vor der Landung sehe ich unter mir die Binnen- und die Außenalster, dazwischen die Brücken. Der Ausblick würde Francesco gefallen.
    Die Angestellte der Mietwagenfirma begrüßt mich wie eine alte Bekannte. Diesmal gibt sie mir einen schwarzen Golf.
    Im Hotel bekomme ich dasselbe Zimmer, man erkundigt sich nach meinem Fuß, ich esse wieder eine Tomatensuppe mit Basilikum.
    Francesco ruft an, ich höre die Sorge in seiner Stimme.
    »Mach dir keine Gedanken, es hat alles bestens geklappt.«
    »Am liebsten wäre ich mitgekommen, aber ich hatte das Gefühl, du wolltest lieber allein fahren.«
    »Beim nächsten Mal reisen wir zusammen, und dann zeige ich dir die Stadt.«
    »Glaubst du, deine Mutter würde mich kennenlernen wollen?«
    »Warum nicht?«
    »Du klingst ganz anders als neulich. Da warst du so bedrückt.«
    »Weil es ein Schock war, meine Mutter in dieser Verfassung zu sehen. Wahrscheinlich werde ich mich gleich wieder erschrecken.«
    »Grüß sie von mir, unbekannterweise.«
     
    Der weißbärtige Mann winkt mir zu, als sei ich gestern zuletzt hier gewesen.
    Vor Mutters Zimmer bleibe ich stehen. Ich höre den Fernseher, lausche den Stimmen, es geht um betrogene Liebe. Vielleicht eine Telenovela. Früher hätte sie so etwas verachtet.
    Ich klopfe. Die Stimmen verstummen.
    Ich drücke die Klinke herunter, mache mich auf das schiefe Gesicht gefasst, den Speichel, das Lätzchen.
    »Tag, Mutter.«
    Sie streckt

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