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Ferne Tochter

Ferne Tochter

Titel: Ferne Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Ahrens
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die nächste Reise nach Hamburg zusammen mit Francesco unternehmen. Jetzt weiß er nicht einmal, dass ich bis Sonntagabend in Deutschland sein werde. Ich habe es aufgegeben, Zettel zu schreiben.
     
    Frau Grundmann bittet mich in ihr Büro. »Der Zustand Ihrer Mutter ist stabil, aber die Kommunikation mit ihr ist noch schwieriger geworden. Sie gibt kaum Laute von sich.«
    »Liegt sie im Bett?«
    »Ja. Sie weigert sich, im Rollstuhl zu sitzen, obwohl sie kein Fieber mehr hat. Vielleicht können Sie ihr gut zureden.«
    »Ich werde es versuchen.«
    »Wir haben den Eindruck, dass es etwas gibt, was sie sehr beschäftigt. Sie weint oft, ganz anders als in den ersten Monaten.« Frau Grundmann wirft mir einen fragenden Blick zu.
    Was soll ich ihr antworten? Meine Mutter bereut, dass sie mich vor zwanzig Jahren alleingelassen hat?
    »Hatten Sie bei Ihrem letzten Besuch eine Auseinandersetzung mit ihr?«
    »Nein. Unsere Familie hat eine schwierige Geschichte. Meine Rückkehr hat in meiner Mutter vieles aufgewühlt.«
    »Leider hat sie nicht mehr die Kraft, etwas zu notieren.«
    »Das hat Antonia Bremer mir erzählt.«
    Frau Grundmann betrachtet mich schweigend.
    »Ich würde jetzt gern meine Mutter sehen.«
    »Ja, natürlich. Ich komme mit nach oben und kündige Sie an.«
    »Das ist nicht nötig«, entgegne ich. »Ich habe mit ihr telefoniert, sie weiß Bescheid.«
    Frau Grundmann besteht darauf, mich zu begleiten. Ist sie misstrauisch geworden? Will sie prüfen, wie ich mit Mutter umgehe?
    Schweigend fahren wir mit dem Aufzug in den zweiten Stock.
    Sie geht voran, klopft, öffnet die Tür. »Frau Wolf, Ihre Tochter ist zu Besuch gekommen.«
    Ich höre nichts.
    Frau Grundmann gibt mir ein Zeichen, dass Mutter schläft.
    Ich betrete das Zimmer. Sie liegt unter einem dicken Federbett, ihr rechtes Auge ist nur halb geschlossen. Sie ist bleich. Die offenen, grau-blonden Haare umrahmen ihr schiefes Gesicht.
    Ich hole mir einen Hocker und setze mich neben das Bett.
    »Es kann sein, dass sie in den nächsten Stunden nicht aufwacht«, sagt Frau Grundmann leise.
    Ich nicke.
    Sie verlässt das Zimmer.
    Es ist zu warm hier. Soll ich das Oberlicht aufmachen? Nein. Ich ziehe meine Strickjacke aus. Warum habe ich kein Buch, keine Zeitung dabei? Mutters Illustrierte interessiert mich nicht.
    Ich werde müde, tausche den Hocker gegen den Sessel. Auch davon wird sie nicht wach.
    Ich starre auf ihr gelähmtes, halb offenes Augenlid. Vielleicht schläft sie gar nicht, vielleicht tut sie nur so, um ihre Ruhe zu haben und nichts hören zu müssen von dem neuen Unglück in meinem Leben.
    »Mutter?«
    Sie rührt sich nicht.
     
    Ein sirrender Ton weckt mich. Mein Nacken ist steif, meine Zunge klebt am Gaumen.
    Mutter sieht mich an.
    Ich beuge mich vor und gebe ihr einen Kuss auf die Stirn. »Tut mir leid, ich bin eingenickt.«
    Dieser verzogene Mund. Grinst sie oder fängt sie gleich an zu weinen?
    »Ich bin froh, dass du kein Fieber mehr hast.«
    Sie zieht ihre linke Augenbraue hoch.
    »Es wäre gut, wenn du bald wieder im Rollstuhl sitzen würdest.«
    Sie dreht ihren Kopf zur Wand.
    Ich greife nach ihrer linken Hand. »Das viele Liegen bekommt dir nicht.«
    Ein leises Knurren ertönt.
    »Tanja Schmidt würde sich auch freuen, wenn du morgen aufstehst.«
    Sie schiebt meine Hand weg.
    »Schwitzt du nicht unter dem dicken Federbett?«
    Entschiedenes Kopfschütteln.
    »Ich will gleich in die Bussestraße fahren, um mir den Vorgarten anzusehen. Soll ich einmal kurz durchs Haus gehen?«
    Sie nickt und zeigt auf ihre Handtasche. Ich öffne sie und nehme das schwarze Schlüsseletui heraus.
    Nach fünf weiteren Minuten in ihrem überheizten Zimmer verabschiede ich mich.
     
    Der Vorgarten sieht etwas gerupft aus, aber besser als vorher. Im Haus ist alles in Ordnung. Die Heizung stelle ich so ein, dass sie jeden Tag für ein paar Stunden angeht.
    Ich fahre zurück zum Hotel. In meinem Zimmer ertappe ich mich bei dem Gedanken, dass Francesco sich gleich melden wird. Wie oft habe ich hier mit ihm telefoniert, mich trösten lassen, ihm nur die Hälfte von dem erzählt, was mich in diese Stadt zurückgebracht hat.
    Ich schenke mir ein Glas Wasser ein. Soll ich Tessa anrufen? Ihr sagen, dass ich in Hamburg bin und sie gern noch einmal treffen möchte? Würde sie sofort auflegen oder mich ausreden lassen, um mich dann zu fragen, ob sie sich neulich nicht klar genug ausgedrückt hätte? Doch, würde ich antworten, aber seitdem sind fast vier Wochen vergangen. Ich

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