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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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entsprachen Azaleen ja nicht gerade meinem Geschmack. Ich hätte sie schon längst ausgerissen, doch um Briannas willen hatte ich mich gezügelt. Der Tod ihres Vaters und der Wechsel auf die Universität waren für sie Veränderungen genug in einem Jahr. Und da ich das Haus seit langem ignorierte, konnte ich es auch noch eine Weile länger so halten.
    »In Ordnung«, sagte ich zu den Pflanzen, als ich den Wasserhahn abdrehte. »Ich hoffe, ihr seid zufrieden, denn mehr kriegt ihr nicht. Jetzt werde ich erst mal selbst was trinken. Und baden«, fügte ich nach einem Blick auf ihre staubigen Blätter hinzu.
     
    Ich saß im Morgenmantel auf dem Rand der großen Badewanne und sah zu, wie das Wasser einlief. Aus der dicken Schaumschicht stieg duftender Dampf auf.
    Nachdem ich den Hahn abgestellt hatte, blieb ich noch eine Weile sitzen. Abgesehen von den Schaumblasen, die zerplatzten, war es still im Haus. Ich wußte sehr wohl, was ich da tat - was ich seit dem Augenblick, als ich in Inverness in den Flying Scotsman gestiegen war, tat: Ich stellte mich auf die Probe.
    Ich hatte all den motorisierten Fortbewegungsmitteln, all den
anderen Annehmlichkeiten des modernen Lebens, all den Knöpfen, die mir Wärme, Licht, Wasser und heißes Essen sicherten, besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
    Die Frage lautete: War mir das wichtig? Ich streckte die Hand in das dampfende Badewasser und rührte darin herum, den Blick auf die tanzenden Wirbel in der Marmorwanne gerichtet. Konnte ich ohne all die großen und kleinen »Annehmlichkeiten« leben, die für mich so selbstverständlich waren?
    Sobald ich einen Knopf drückte oder einen Motor aufheulen hörte, war ich mir fast sicher, daß die Antwort »ja« lautete. Schließlich war es nicht unser Jahrhundert allein; am anderen Ende der Stadt wohnten Leute, die ohne all das auskommen mußten, und jenseits des Atlantiks gab es Völker, die relativ zufrieden waren, obwohl sie von Elektrizität noch nicht einmal gehört hatten.
    Mir selbst hatte das alles nie viel bedeutet. Im Alter von fünf Jahren, nach dem Tod meiner Eltern, hatte mich mein Onkel Lamb, ein bedeutender Archäologe, aufgenommen. Da ich ihn stets zu seiner Feldforschung begleitet hatte, war ich unter Bedingungen aufgewachsen, die man nicht anders als »primitiv« nennen konnte. Gewiß, elektrisches Licht und ein heißes Bad waren nett, doch als sie mir nicht zur Verfügung standen, hatte ich sie auch nicht weiter vermißt.
    Ich zog den Bademantel aus und ließ mich in die Wanne gleiten. Mit einem zufriedenen Seufzer streckte ich die Beine aus. Ein Bad im achtzehnten Jahrhundert bedeutete einen großen Zuber mit warmem Wasser, in dem man sich stückweise wusch. Aber meist konnte man sich nur vor einer Waschschüssel mit einem nassen Lappen abreiben.
    Trotzdem: Annehmlichkeiten und Luxus waren nicht mehr, als ihr Name sagte. Nichts Lebensnotwendiges, nichts, auf das ich nicht verzichten konnte.
    Aber das allein gab nicht den Ausschlag. Das Leben in der Vergangenheit war nicht ungefährlich. Andererseits boten die sogenannten Fortschritte der Zivilisation auch keine Garantie für Sicherheit. Die beiden »modernen« Kriege, die ich erlebt hatte, hatten sich als weitaus schrecklicher erwiesen als ihre Vorläufer in der Vergangenheit.
    Seufzend zog ich den Stöpsel heraus. Warum gab ich mich überhaupt
mit Badewannen und Bomben ab? Im Grunde ging es mir doch nur um die Menschen: um mich, Brianna und Jamie.
    Gurgelnd lief das Wasser aus der Wanne. Mit einem etwas schummrigen Gefühl im Kopf stand ich auf und trocknete mich ab. Dann ließ ich das Handtuch sinken und betrachtete mich. Streckte die Arme, hob sie über den Kopf, suchte nach schlaffem Fleisch. Ohne Ergebnis, nur hübsch abgebildete Muskeln. Ich drehte mich auf die Seite, spannte den Bauch an und atmete wieder aus. Er war glatt und flach.
    »Wie gut, daß unsere Familie nicht zur Dickleibigkeit neigt«, murmelte ich. Onkel Lamb hatte seine schlanke Gestalt bis zu seinem Tod im Alter von fünfundsiebzig behalten, und bei meinem Vater, seinem Bruder, hätte es sich wohl ähnlich verhalten. Aber was war mit meiner Mutter? Schließlich hatten Frauen in der Regel mit überflüssigem Fettgewebe zu kämpfen.
    Ich drehte mich um und betrachtete meine Rückseite im Spiegel. Feucht schimmernd zeichneten sich ihre Umrisse ab. Ich hatte noch immer eine Taille, und eine recht schmale dazu.
    »Und keine Beulen am Hintern«, ergänzte ich laut. Rasch wandte ich mich wieder um und sah

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