Ferne Ufer
Dummkopf«, befahl Ian barsch. »Oder ich lege dich hier auf der Stelle übers Knie.«
Mit Drohungen und Fragen konnten die beiden Männer dem Jungen schließlich einen mehr oder weniger zusammenhängenden Bericht entlocken.
Der junge Ian war am Morgen in der Taverne in Kerse gewesen, vor der er Wally treffen sollte. Wally wiederum sollte mit dem
Branntwein herkommen und in der Taverne den Fusel einladen, mit dem die Zollbehörde getäuscht werden sollte.
»Du solltest ihn treffen?« fragte Ian scharf. »Wer hat dir das aufgetragen?«
»Ich«, erwiderte Jamie, bevor sein Neffe antworten konnte. Mit einer Handbewegung gebot er seinem Schwager Schweigen. »Aye, ich wußte, daß er dort war. Wir reden später darüber, wenn’s dir recht ist. Erst müssen wir herausfinden, was heute passiert ist.«
»Ich hatte Hunger«, erklärte der junge Ian.
»Wann hast du keinen Hunger?« fragten sein Vater und sein Onkel wie aus einem Munde. Vor Lachen prustend, sahen sie sich an, und die Atmosphäre entspannte sich ein wenig.
»Also bist du in die Taverne gegangen, um einen Happen zu essen«, sagte Jamie. »Das ist in Ordnung, das schadet nichts. Und was ist dann geschehen?«
In der Taverne hatte er den Mann gesehen. Ein kleiner Kerl, schmierig wie eine Ratte, mit dem Zopf eines Matrosen und einem erblindeten Auge, der sich mit dem Wirt unterhielt.
»Er hat nach dir gefragt, Onkel Jamie«, sagte der Junge, dessen Zunge sich nach dem Genuß des Portweins zusehends löste. »Und er hat deinen richtigen Namen genannt.«
Jamie fuhr verblüfft zusammen. »Jamie Fraser, meinst du?« Der junge Ian nickte und nippte an seinem Glas. »Aye, aber er kannte auch deinen anderen Namen - Jamie Roy, meine ich.«
»Jamie Roy?« Ian warf seinem Schwager einen verwirrten Blick zu, aber dieser zuckte nur ungeduldig mit den Achseln.
»Unter dem Namen bin ich im Hafen bekannt. Himmel, Ian, du weißt doch, was ich mache!«
»Aye, aber ich wußte nicht, daß dir dieser Schlingel dabei zur Hand geht.« Ian preßte die Lippen aufeinander und wandte sich wieder seinem Sohn zu. »Sprich weiter, Junge.«
Der Seemann hatte den Wirt gefragt, wo ein alter Seebär, der Pech gehabt habe und Arbeit suche, einen gewissen Jamie Fraser finden könne, der bekanntlich fähige Männer brauchte. Als der Wirt behauptete, diesen Namen noch nie gehört zu haben, beugte sich der Seemann über die Theke, schob ihm eine Münze zu und fragte mit gesenkter Stimme, ob ihm der Name »Jamie Roy« geläufiger sei.
Da der Wirt auf diesem Ohr taub war, verließ der Seemann alsbald die Taverne, und der junge Ian heftete sich an seine Fersen.
»Ich dachte, es könnte nicht schaden zu wissen, wer er war und was er wollte«, erklärte der Junge zwinkernd.
»Du hättest daran denken können, bei dem Wirt eine Nachricht für Wally zu hinterlassen«, sagte Jamie. »Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Wo ist er hingegangen?«
Raschen Schritts die Straße hinunter, aber nicht so rasch, daß ein gesunder Junge ihm nicht hätte folgen können. Dank seiner strammen Gangart bewältigte der Seemann den Marsch nach Edinburgh, eine Entfernung von fünf Meilen, in einer knappen Stunde und traf schließlich in der Green-Owl-Taverne ein - gefolgt von einem halbverdursteten Ian.
Als der Name der Taverne fiel, zuckte ich zusammen, sagte aber nichts, da ich den Bericht nicht unterbrechen wollte.
»Es war schrecklich voll«, fuhr Ian fort. »Am Morgen war etwas vorgefallen, und alle redeten davon - aber als sie mich sahen, verstummten sie. Auf jeden Fall war es dort das gleiche.« Er hielt inne, hustete und räusperte sich. »Der Seemann bestellte sich einen Branntwein und fragte dann den Wirt, ob er einen Branntweinlieferanten namens Jamie Roy oder Jamie Fraser kannte.«
»Und kannte er einen?« fragte Jamie leise. Er blickte seinen Neffen aufmerksam an, aber an der kleinen Falte zwischen seinen Brauen sah ich, daß es hinter seiner Stirn arbeitete.
Der Mann hatte eine Taverne nach der anderen abgeklappert, wobei ihm der junge Ian wie ein Schatten folgte. In jeder Gastwirtschaft hatte er Branntwein bestellt und seine Frage wiederholt.
»Der mußte ja einiges vertragen«, stellte Ian fest.
Sein Sohn schüttelte den Kopf. »Er hat ihn nicht getrunken, nur daran gerochen.«
Der Vater schnalzte mit der Zunge angesichts dieser skandalösen Verschwendung von gutem Alkohol, aber Jamie zog die Brauen hoch.
»Hat er auch mal gekostet?« fragte er scharf.
»Aye. Im Dog and Gun und dann
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