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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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hinter sich hat? Vermutlich hängt es davon ab, wie viele Einzelheiten Vater Hayes hören will«, sagte ich. »Ist er denn schon die ganze Zeit da drin?«
    »Nein.« Jamies Ohrläppchen röteten sich ein wenig. »Ich… ich mußte zuerst gehen. Als Vorbild, weißt du.«
    »Kein Wunder, daß es einige Zeit gedauert hat«, stichelte ich. »Wie lange ist es her, seit du zuletzt gebeichtet hast?«
    »Vater Hayes habe ich erzählt, es wäre sechs Monate her.«
    »Stimmt das?«
    »Nein, aber ich dachte, wenn er mir für Diebstahl, tätliche Angriffe und gotteslästerliches Fluchen die Absolution erteilt, kann er das ruhig auch fürs Lügen tun.«
    »Und wie steht’s mit Ehebruch und unreinen Gedanken?«
    »Das gewiß nicht«, sagte er streng. »Ein Mann kann sich, ohne zu sündigen, alles mögliche ausmalen, solange es mit seiner Frau zu tun hat. Nur wenn andere Damen ins Spiel kommen, wird es unrein.«
    »Ich hatte keine Ahnung, daß ich zurückgekehrt bin, um deine Seele zu retten, aber ich mache mich immer gern nützlich.«
    Er lachte und küßte mich.
    »Ich frage mich, ob das als Ablaß zählt?« sagte er. »Das sollte es
nämlich. Es trägt viel mehr dazu bei, einen Mann vor dem Höllenfeuer zu retten, als das Beten eines Rosenkranzes. Da wir davon reden«, fügte er hinzu, wühlte in seiner Tasche und zog einen hölzernen Rosenkranz heraus, der ziemlich verbissen aussah. »Erinnere mich daran, daß ich heute noch Buße tun muß. Ich wollte gerade damit anfangen, als du gekommen bist.«
    »Was ist mit deinem Rosenkranz geschehen?« fragte ich und betrachtete die Bißmale auf den Perlen. »Er sieht aus, als hätten sich die Ratten darüber hergemacht.«
    »Keine Ratten«, sagte er, »Kinder.«
    »Welche Kinder?«
    »Ach, alle, die in den letzten Jahren gekommen sind.« Er zuckte die Achseln und ließ den Rosenkranz wieder in seiner Tasche verschwinden. »Der junge Jamie hat jetzt drei, und Maggie und Kitty je zwei. Der kleine Michael hat kürzlich geheiratet, aber seine Frau ist schon schwanger. Hast du gewußt, daß du schon siebenfache Großtante bist, aye?«
    »Großtante?« fragte ich verblüfft.
    »Ja, und ich bin Großonkel«, erklärte er fröhlich, »und es hat mir nicht besonders zu schaffen gemacht, nur daß meine Perlen benagt werden, wenn die Kleinen zahnen - und daß ich auf den Namen ›Nunkie‹ hören muß.«
    Manchmal erscheinen einem zwanzig Jahre wie ein Augenblick, und manchmal kommen sie einem wahrhaftig wie eine sehr lange Zeit vor.
    »Hoffentlich gibt es keine weibliche Entsprechung für ›Nunkie‹.«
    »Nein, nein«, versicherte er mir. »Sie werden dich einfach Großtante Claire nennen und dich mit größtem Respekt behandeln.«
    »Vielen Dank«, murmelte ich, und Erinnerungen an die geriatrische Abteilung des Krankenhauses stiegen in mir auf.
    Jamie lachte und zog mich mit einer Unbeschwertheit, die nur auf seine Befreiung von der Sündenlast zurückzuführen sein konnte, auf seinen Schoß.
    »Ich habe noch nie eine Großtante mit so einem schönen runden Arsch gesehen«, meinte er anerkennend. Sein Atem kitzelte mich im Nacken, als er sich vorbeugte, und ich schrie auf, als sich seine Zähne um mein Ohrläppchen schlossen.

    »Alles in Ordnung, Tante?« Ich hörte die besorgte Stimme Ians direkt hinter mir.
    Jamie zuckte zusammen, so daß ich fast von seinem Schoß gerutscht wäre, hielt mich aber dann an der Taille fest.
    »Alles in Ordnung, Ian«, beruhigte ich den Jungen und stand energisch auf.
    »Ach, Onkel Jamie, eins wollte ich dich fragen, kannst du mir deinen Rosenkranz borgen?« sagte Ian, als wir dann auf die Royal Mile hinaustraten. »Der Priester hat mir fünf Vaterunser und fünfzig Ave Maria zur Buße aufgegeben, und soviel kann ich nicht an meinen Fingern abzählen.«
    »Gewiß.« Jamie blieb stehen und holte den Rosenkranz aus der Tasche. »Vergiß aber nicht, ihn mir wiederzugeben.«
    Ian grinste. »Aye, ich vermute, du brauchst ihn selber, Onkel Jamie. Der Priester hat mir erzählt, daß er es wüst getrieben hat«, vertraute mir Ian augenzwinkernd an, »und daß ich nicht so werden soll wie er.«
    »Mmmpf.« Jamie schaute auf der Straße nach beiden Seiten und schätzte die Geschwindigkeit eines Handkarren ein, der abwärts holperte. Seine frisch rasierten Wangen liefen rosa an.
    »Wie viele Gebete mußt du als Buße sprechen?« fragte ich neugierig.
    »Fünfundachtzigmal zehn Ave Maria und die Vaterunser dazu«, antwortete er und wurde noch röter.
    Ehrfürchtig

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