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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Jamie, holte tief Luft und nahm eine etwas aufrechtere Haltung ein.
    »Ian«, sprach er seinen Schwager freundlich an. »Ich wünschte, du würdest es nicht tun.«
    »Was?« Ians Stirn war immer noch vor Zorn gerunzelt, als er sich zu Jamie umdrehte. »Den Jungen verprügeln? Und was geht dich das an?«
    Jamie kniff die Lippen zusammen, aber seine Stimme blieb ruhig.
    »Es geht mich nichts an, Ian - es ist dein Sohn. Du kannst mit
ihm tun, was du magst. Aber vielleicht läßt du mich sein Verhalten ein bißchen erklären?«
    »Sein Verhalten…?« rief Jenny und erwachte zum Leben. Sie mochte die Bestrafung ihres Sohnes Ian überlassen, aber wenn ihr Bruder sich einmischte, hatte sie ein Wort mitzureden. »Sich des Nachts davonschleichen, meinst du das? Oder sich mit Verbrechern zusammentun und den Kopf für ein Faß Weinbrand riskieren?«
    Ian brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. Er zögerte nachdenklich, bevor er Jamie zunickte, er solle fortfahren.
    »Mit Verbrechern wie mir?« fragte Jamie seine Schwester gereizt. Ihre Blicke trafen sich.
    »Weißt du, woher das Geld stammt, das dich, deine Kinder und all die anderen hier vor dem Hungertod und das Dach vor dem Einstürzen bewahrt? Bestimmt nicht vom Psalmendrucken in Edinburgh.«
    »Denkst du etwa, daß ich das geglaubt habe?« fuhr sie ihn an. »Habe ich dich je gefragt, was du tust?«
    »Nein«, gab er zurück. »Und du möchtest es lieber nicht wissen… aber du weißt es, nicht wahr?«
    »Machst du mich für das, was du tust, verantwortlich? Ist es meine Schuld, daß ich Kinder habe, die etwas zu essen brauchen?« Im Gegensatz zu Jamie errötete sie nicht vor Zorn, sondern wurde kalkweiß.
    Ich sah ihn gegen seine Wut ankämpfen. »Dich verantwortlich machen? Nein, natürlich nicht. Aber ist es richtig von dir, mir die Schuld daran zu geben, daß Ian und ich euch von dem Ertrag, den der Boden abwirft, nicht ernähren können?«
    Auch Jenny mußte ihre aufsteigende Wut zügeln. »Nein«, sagte sie. »Du tust, was du tun mußt, Jamie. Du weißt selbst ganz genau, daß ich nicht dich meinte, als ich von ›Verbrechern‹ sprach, aber…«
    »Du meinst damit also die Männer, die für mich arbeiten. Jenny, ich mache genau das gleiche wie sie. Wenn sie Verbrecher sind, was bin dann ich?« Mit funkelnden Augen starrte er sie an.
    »Du bist mein Bruder«, sagte sie kurz. »Auch wenn mich das manchmal gar nicht freut. Verdammt noch mal, Jamie Fraser, du weißt ganz genau, daß ich mit dir über das, was du tust, nicht streiten
will. Wenn du Leute auf der Landstraße ausrauben oder ein Bordell in Edinburgh betreiben würdest, dann würdest du es deshalb tun, weil dir nichts anderes übrigbliebe. Aber das heißt nicht, daß es mir gefällt, wenn mein Sohn darin verwickelt wird.«
    Als sie das Bordell in Edinburgh erwähnte, verengten sich Jamies Augen. Er warf einen anklagenden Blick auf Ian, der jedoch den Kopf schüttelte. Er war sprachlos über die Heftigkeit seiner Frau.
    »Kein Wort habe ich gesagt«, erklärte er kurz. »Du weißt doch, wie sie ist.«
    Jamie holte tief Luft und wandte sich wieder an Jenny, offenbar fest entschlossen, vernünftig mit ihr zu reden.
    »Aye, ich verstehe. Aber ich würde den jungen Ian doch niemals in Gefahr bringen. Mein Gott, Jenny, ich liebe ihn wie meinen eigenen Sohn.«
    »Aye?« Der Zweifel in ihrer Stimme war unüberhörbar. »Deshalb hast du ihn wohl ermutigt, von daheim wegzulaufen, und ihn bei dir behalten, ohne uns einen Ton zu sagen?«
    Jamie besaß wenigstens den Anstand, beschämt zu wirken.
    »Aye, das tut mir leid«, murmelte er. »Ich wollte eigentlich…« Er hielt inne und machte eine ungeduldige Handbewegung. »Es tut nichts zur Sache, was ich eigentlich wollte. Ich hätte euch benachrichtigen sollen und habe es nicht getan. Aber daß ich ihn ermutigt habe, wegzulaufen…«
    »Nein. Ich glaube kaum, daß es so war«, unterbrach Ian ihn. »Zumindest nicht so direkt.«
    Er sah nicht mehr zornig aus, sondern müde und ein bißchen traurig. Im Licht der Abenddämmerung wirkte er hohlwangig und schmal.
    »Der Junge liebt dich, Jamie«, sagte er ruhig. »Ich merke, wie er dir zuhört, wenn du uns besuchst und von dir erzählst. Ich kann es in seinem Gesicht lesen. Er denkt, dein Leben besteht nur aus Aufregung und Abenteuer, endlos weit entfernt von dem Ziegenmist, den er auf Mutters Beeten zu verteilen hat.« Er lächelte unwillkürlich.
    Jamie erwiderte sein Lächeln und zuckte mit den Achseln. »Aber ist

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