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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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gewölbten Bauch. Jamie trat auf Jenny zu, nahm ihr das Tablett ab und stellte es auf den Tisch.
    Darauf stand ein Auflauf aus Ziegenfleisch und Schinken, und Jamie sah, wie sich Fergus’ Adamsapfel hob und senkte, als ihm der Geruch in die Nase stieg. Auch ohne die spitzen Gesichter vor ihm anzusehen, wußte er, daß sie die besten Bissen für ihn aufhoben. Zwar brachte er, wenn er kam, jedes Stück Wild mit, das er erlegen konnte, aber das reichte nie für ein Haus, wo nicht nur seine Familie und die Dienstboten satt werden wollten, sondern auch die Frauen und Kinder der Ermordeten Kirby und Murray. Wenigstens bis zum Frühjahr sollten die Angehörigen seiner Pächter hier Obdach finden, und er mußte tun, was in seinen Kräften stand, um sie zu ernähren.

    »Setz dich zu mir«, forderte er Jenny auf. Er nahm ihre Hand und führte sie vorsichtig zur Bank. Sie schien überrascht, denn sie war es gewohnt, ihm das Essen aufzutun, wenn er kam, ließ sich dann aber zufrieden neben ihm auf die Bank sinken. Es war spät, und er sah an den dunklen Ringen unter ihren Augen, wie müde sie war.
    Entschlossen gab er ein paar Löffel von dem Auflauf auf einen Teller und stellte ihn vor seine Schwester.
    »Das ist für dich«, wandte Jenny ein. »Ich habe schon gegessen.«
    »Aber nicht genug«, hielt er dagegen. »Du brauchst mehr… für das Kleine«, fügte er geistesgegenwärtig hinzu. Wenn sie es schon nicht für sich selbst annehmen würde, dann zumindest für das Kind. Sie zögerte einen Moment, aber dann nahm sie lächelnd den Löffel und begann zu essen.
     
    Nun war es November, und die Kälte kroch ihm unter das dünne Hemd und die Kniehose. Doch er merkte es kaum, so sehr hatte ihn das Jagdfieber ergriffen. Wolkenfelder zogen über den Himmel, durch die der Mond aber noch ausreichend Licht gab.
    Zum Glück regnete es nicht, denn der durchdringende Geruch nasser Pflanzen hätte verhindert, daß er von den Tieren rechtzeitig Witterung bekam. In den langen Monaten, die er jetzt im Freien lebte, war seine Nase erstaunlich empfindlich geworden, so daß ihn die Gerüche des Hauses manchmal fast schon überwältigten, wenn er eintrat.
    Den Hirsch roch er zwar nicht, hörte aber das Rascheln, mit dem sich das Tier verriet. Jetzt war es wohl wie erstarrt stehengeblieben, für das menschliche Auge nicht mehr als ein Schatten.
    Jamie wandte sich langsam in die Richtung, aus der er das Tier gehört hatte. Der Bogen lag bereits in seiner Hand, ebenso der schußbereite Pfeil. Wenn der Hirsch die Flucht ergriff, hatte er höchstens einen Schuß.
    Ja, dort! Scharf und klar zeichnete sich das Geweih vor dem Stechginster ab. Jamie straffte sich, holte einmal tief Luft und trat einen Schritt nach vorn.
    Ein flüchtender Hirsch verursachte einen Höllenlärm, um seinem Jäger Angst einzuflößen. Jamie war jedoch darauf vorbereitet.
Weder fuhr er überrascht in die Höhe, noch nahm er die Verfolgung auf. Statt dessen spannte er den Bogen, nahm seine Beute ins Visier, verfolgte das davonspringende Wild mit dem Pfeil im Anschlag, wartete auf den günstigsten Moment und schoß mit aller Kraft.
    Es war ein sauberer Schuß, geradewegs in die Schulter. In einer kleinen Lichtung sank das Tier in sich zusammen. Der Mond spiegelte sich in seinen brechenden Augen, so daß das Mysterium seines Sterbens hinter dem Silberlicht verborgen blieb.
    Jamie zog seinen Dolch aus dem Gürtel, kniete sich vor den Hirsch und sprach hastig das Gebet, das ihm der alte John Murray, Ians Vater, beigebracht hatte. Dann stieß er die Klinge in das haarige Fell und das dampfende Fleisch. Mit sicherer Hand schlitzte er dem Hirsch die Kehle auf. Warmes Blut schoß aus dem Schnitt, floß über Jamies Klinge und seine Hand. Hätte er innegehalten und nachgedacht, wäre es wahrscheinlich nicht dazu gekommen. Aber Hunger und Benommenheit hatten ihn schon längst über den Punkt hinausgetrieben, wo er noch nachdachte. Er hielt die Hände unter den Blutstrom und führte das dampfende Naß an seinen Mund.
    Es schmeckte nach Salz und Silber, und ihm war, als nähme er mit der Wärme auch die Seele des Wildes in sich auf. Als er den würzigen Saft die Kehle herabrinnen ließ, kündete nur das hungrige Knurren seines Magens, daß seinem Körper bewußt war, was er da tat.
    Er schloß die Augen und atmete tief durch. Dann wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund, säuberte seine Finger im Gras und machte sich ans Werk.
    Mit einem Ruck drehte er den schlaffen, schweren

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