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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ins neunzehnte Jahrhundert mündlich überliefert. Dabei machte man keinen großen Unterschied, ob die Helden wirklich gelebt haben oder ob es dabei um Fabelwesen wie Wasserpferde, Gespenster und Feen ging. Und so wußten auch die Gelehrten, die sie aufgeschrieben haben, oft nicht genau, was sie da vor sich hatten.
Manchmal war es eine Mischung aus Fakten und Märchen. Nur gelegentlich konnte man sicher sein, daß da tatsächliche Ereignisse beschrieben wurden.
    Aber dies hier…« - er reichte Claire die Kopie - »scheint eine wahre Geschichte zu sein. Sie erzählt, wie eine bestimmte Felsformation im Hochland zu ihrem Namen kam.«
    Claire strich sich die Haare hinters Ohr und beugte sich über das Blatt. Fiona, die schon zu viel von alten Dokumenten und langweiligen Begebenheiten der Vergangenheit gehört hatte, um sich noch dafür zu interessieren, verschwand in der Küche.
    »›Leap O’the Cask‹«, las Claire. »›Diese ungewöhnliche Felsformation ist nach dem Schicksal eines namhaften Jakobiten und seines Dieners benannt. Dieser Jakobit, einer der wenigen, die dem Unheil von Culloden entkommen konnten, schlug sich zu seinem Hof durch. Aber weil die Engländer auf der Suche nach geflüchteten Anhängern von Charles Stuart immer wieder das Land durchkämmten, war er gezwungen, sich sieben Jahre lang in einer Höhle auf seinem Grund und Boden zu verbergen. Die Pächter hielten das Versteck ihres Herrn geheim, brachten ihm Essen und Vorräte und achteten darauf, von ihm nur als »Braunkappe« zu reden, damit er nicht durch einen unglücklichen Zufall an eine englische Patrouille verraten wurde.
    Eines Tages stieß ein Junge, der sich mit einem Fäßchen Bier auf dem Weg zur Höhle des Einsiedlers befand, auf einen Trupp englischer Dragoner. Tapfer schwieg er auf ihre Fragen und weigerte sich, seine Fracht herauszugeben. Schließlich setzte ihm einer der Dragoner körperlich so zu, daß er das Faß fallen ließ. Es kullerte den Abhang hinunter in den Bach.‹«
    Claire ließ das Blatt sinken und sah ihre Tochter fragend an.
    »Wozu diese Geschichte? Wir wissen - oder wir glauben zu wissen«, verbesserte sie sich mit einem Blick auf Roger, »daß Jamie Culloden überlebt hat. Aber das haben viele andere auch. Wieso meinst du, daß es sich bei diesem Mann um Jamie handelt?«
    »Na, wegen der Braunkappe natürlich«, erwiderte Brianna, als läge das auf der Hand.
    »Was?« fragte Roger. »Wegen der Braunkappe?«
    Anstatt zu antworten, griff sich Brianna in ihr volles rotes Haar und hielt eine Strähne in die Höhe.

    »Eine braune Kappe!« rief sie ungeduldig. »Tarnfarbe. Er trug die ganze Zeit eine braune Mütze, weil man ihn an seinem Haar erkannt hätte. Habt ihr nicht gesagt, daß er bei den Engländern der rote Jamie hieß? Und deshalb mußte er sein rotes Haar verstecken.«
    Roger starrte sie sprachlos an. Die Locken, die ihr ungebändigt auf die Schultern fielen, schienen Funken zu sprühen.
    »Du könntest recht haben«, meinte Claire mit vor Aufregung leuchtenden Augen. »Jamies Haar war genauso rot wie deins.« Sanft strich sie ihrer Tochter über den Kopf. Das Gesicht der jungen Frau wurde weich, als sie auf ihre Mutter heruntersah.
    »Ich weiß«, sagte sie. »Ich habe versucht, ihn mir vorzustellen, als ich die Geschichte las.« Sie räusperte sich, als hätte sie einen Frosch im Hals. »Ich sah ihn vor mir, draußen auf der Heide, mit leuchtendroten Haaren. Du hast erzählt, daß er schon öfter auf der Flucht war, und deshalb… deshalb, so dachte ich, hat er wohl gewußt, daß er sein Haar verstecken muß, wenn er nicht gefangen werden will.«
    »Stimmt«, meinte Roger munter, um die Schatten aus Briannas Augen zu vertreiben, »eine interessante Hypothese. Vielleicht finden wir Fakten, die sie bestätigen. Wenn wir beispielsweise die Höhle namens ›Leap O’the Cask‹ auf einer Karte…«
    »Denkst du, ich bin dumm?« fiel ihm Brianna verächtlich ins Wort. Sie wirkte gar nicht mehr gedrückt. »Deshalb komme ich ja so spät. Ich habe mir von der Angestellten jede Karte der Highlands vorlegen lassen, die sie finden konnte.« Sie zog eine andere Fotokopie aus dem Stapel und zeigte triumphierend auf die obere Ecke des Blattes.
    »Seht ihr? Die Höhle ist so klein, daß sie die meisten Karten nicht verzeichnet haben. Aber auf dieser hier steht sie. Da liegt das Dörfchen Broch Mordha, von dem Mama sagt, daß es in der Nähe von Lallybroch liegt, und dort…« - sie zeigte auf einen mikroskopisch

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