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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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sage ich, dass die Misantropi wirklich Scheiße bauen.
    »Na und? Hast du was anderes erwartet? Du musst etwas aus uns machen, musst uns formen. Das Rohmaterial ist da. Und außerdem,
schau doch mal, was für ein tolles Nest wir hier haben: Wir könnten es auch als Schlachthaus nutzen.«
    Ich blicke ihn fragend an.
    »Die Mä-dels, wir ste-chen die Mä-dels ab«, lacht er. »Ach ja! Das hab ich ganz vergessen: Du bist ja ein spiritueller Künstler, du lebst in einer anderen Dimension. Wie hast du sie noch gleich genannt? Kosmisch? Atavistisch? So ein Scheiß!«
    Mühsam halte ich mich zurück, um ihm nicht ins Gesicht zu schleudern, dass ich aus meiner »atavistischen« Dimension heraus immerhin Imma und Renata vögle, aber wie oft wird mir das noch gelingen? Kann ein Sechzehnjähriger, der endlich seinen Busenfreund gefunden hat, ein solches Geheimnis überhaupt für sich behalten? Und Rino ist mein Busenfreund. Apache und Tarcisio haben es sofort gemerkt. Morgens im Autobus behandeln sie mich kalt - es macht sie wütend, dass ich mich mit ihrem alten Anführer gut verstehe, während er sie seit seiner Rückkehr aus Turin links liegen lässt. Nicht dass Rino und ich außer Musik machen wer weiß was unternehmen würden, aber mit diesem imposanten, schlaksigen Typ mit dem roten Haargebirge, der über die ganze Welt herzieht und sie verarscht, durch das Dorf zu bummeln, gibt mir schon das Gefühl, etwas Besonderes zu sein. Auch Imma missfällt unsere Freundschaft. Sie macht das jedes Mal deutlich, wenn wir uns in unserem beengten Alkoven treffen. Zuerst fickt sie natürlich mit mir. Eines Nachmittags jedoch - sie hat sich gerade wieder etwas beruhigt -, versetzt sie mir einen Schlag, indem sie sagt: »Wenn du mich noch magst, dann hör auf, dich mit ihm zu treffen.«
    »Warum denn?«
    »Bestimmt merkt er was. Wenn du ihm nicht schon was gesagt hast.«
    »Nein, nein. Ich schwör’s.«
    »Ja, schwör nur!«, höhnt sie. »Jedenfalls hab ich es dir gesagt, dass du mit ihm aufhören sollst, wenn du mich magst.«
    Dass ich sie mag, ist klar, aber andererseits: Was sage ich Rino? Renata ist die Einzige, die ihn sympathisch findet, und das mag ich
nun wiederum nicht - es macht mich eifersüchtig. Das bin ich seit jenem Sonntag, als ich wie gewöhnlich nach der Messe zum Friedhof laufe, um auf sie zu warten, und statt Renata ihn dort antreffe.
    »Aha! Hierher kommst du also, um dir die Inspiration für deine exoterischen Litaneien zu holen.« Diesen Ausdruck gibt es auch, aber ich bezweifle, dass er das weiß. »Na gut, dann leiste ich dir Gesellschaft.«
    »Nein«, antworte ich aufgeschreckt. »Ich muss allein sein, das ist eine Frage der Konzentration, verstehst du?«
    »Und ob ich das verstehe!«, sagt er und starrt auf Renata, die inzwischen in ihrem Mantel aufgetaucht ist - sie hat ihn sich nach dem Modell der Dienstuniform ihres Vaters umnähen lassen - und wie eine romantische Heldin ihre blonde Mähne schüttelt. Es ist ihm einfach nicht klarzumachen, dass er jetzt Leine ziehen soll. Er ist so was von aufdringlich, das ist sein großer Fehler. Also stelle ich sie ihm vor - was bleibt mir anderes übrig? Sofort fängt er an, ihr von seinem Leben zu erzählen, von seinen jüngsten Erfahrungen in Turin, von unserer Gruppe, den Misantropi . Er kann es kaum fassen, dass sie das Wort kennt, was ich mit einer Spur Mitgefühl zur Kenntnis nehme. Ich stelle mir vor, dass Renata denkt: Mannomann, mit was für Leuten hast du Umgang. Doch im Gegenteil, sie lacht, antwortet interessiert - sie antwortet interessiert auf den Mist, den er absondert, während ich ihr als einzigen flatus vocis ein Stöhnen beim Orgasmus entlocken kann.
    Unterdessen lässt mich Imma, deren Ultimatum ich habe verstreichen lassen, die Flaschen allein aus dem Keller holen. Sie ist abweisend und angespannt, und bald ist auch Merenda nicht mehr so freundlich. Eines schönen Tages dann ruft er mich zu sich und teilt mir mit, dass die Geschäfte nicht mehr so gut liefen und dass er sich keinen Organisten mehr leisten könne, dass sie stattdessen Platten auflegen und sich auch beim Übrigen selbst behelfen würden.
    Als ich ihn das sagen höre, fühle ich mich trotz des drohenden Einkommensverlusts erleichtert, wohl weil ich immer Angst hatte, dass er uns ertappen würde, oder weil es, seit ich mich mit Rino
treffe, jedes Mal Streit mit Imma gegeben hatte. Kurzum, ich weiß nicht genau, warum, aber in letzter Zeit hatte ich wirklich die Nase voll. Tatsächlich

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