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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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blicke den Maître an, und der macht ein zustimmendes Zeichen - er ist ganz froh, wenn ich diesen Unglücksmenschen abschleppe. Unten in der Bar fragt mich Merenda, wie es gelaufen ist. Gut, sage ich, und er nickt. Aber ich hätte gleich kapieren müssen, dass es besser wäre, die Sache mit Rino sein zu lassen, denn Imma wirft mir einen Blick zu, als er mich an ihr vorbeizerrt. Doch mein Herz klopft nur freudig erregt: Was für ein Hochgenuss, sich im Leben einer Frau so wichtig zu fühlen!
    Draußen bleibt Rino stolz vor einer Vespa stehen. Es handelt sich um eines jener 50er-Modelle, die wie Rennmotorräder aussehen möchten, mit niedriger Lenkstange und überdimensioniertem Tank. Rino sagt: »Die hab ich mir von meinem Onkel ausgeliehen. Ich muss sie nur noch ein bisschen umfrisieren, dann ist sie perfekt.« Er haut ein paarmal auf den Anlasser, bis es aus dem ordnungsgemäß durchbohrten Auspufftopf donnert - alle Jungs im Dorf durchbohren die Auspuffpötte ihrer »Motoren«, damit es mehr Krach macht und sie sich ihrerseits einbilden können, sie würden einen potenten Ducato steuern. Rino setzt sich auf den langen, schmalen schwarzen Sattel; aus einer aufgeplatzten Naht quillt wie eine Zunge aus einem zahnlosen Mund gelber Schaumstoff heraus, und wir fahren talwärts, hinunter aufs offene Land.
    Nach der Hitze im Patriarca tut die frische Luft so gut. Wie gesagt, es ist fast Sommer, und die Grillen zirpen schon. Hin und wieder wehen mir Strähnen von Rinos Haar in den Mund. Er schaltet nun in den falschen Gang und lässt den Roller so lange untertourig laufen, bis er absäuft. Sein einziger Kommentar: »Gut so! Dann spare ich Sprit.« Wir gleiten lautlos auf der schmalen Straße dahin, welche die Felder durchschneidet, und alles duftet nach Heu und nach Blumen und färbt sich blau, ein Blau in den verschiedensten Schattierungen bis hin zum stumpfen Blau der Berge unter dem Mond. Wir kommen an Pits Haus vorbei, und ich frage Rino, ob er
ihn zufällig kennt. »Wer kennt ihn nicht?«, antwortet er verwundert.
    Ich erzähle ihm von unserer aufrichtigen Freundschaft, aber es kommt gar nicht bei ihm an. Er ist schon in den Weg eingebogen, der zu einem Haus und einem offenen Platz führt, der vollgestellt ist mit Fiats und anderem Schrott wie dem unseren. Drinnen begrüßt uns die kleine Versammlung angeheiterter Männer in Hemdsärmeln und mit gelockerter Krawatte. Rino wird wie ein Erwachsener behandelt, und wir finden uns in einem arabischen Pavillon wieder, wie ich ihn von Onkel Arcangelos Fotos her kenne. Es handelt sich nicht gerade um einen großen Raum, oder genauer gesagt: Es würde sich überhaupt erst um einen Raum handeln, wenn die Wände schon hochgezogen wären. Anstelle der Wände schwanken ockerfarbene Bastmatten, die dem Licht der nackten Glühbirnen eine seltsame Weichheit verleihen, in der Brise hin und her und geben gelegentlich den Blick auf den Himmel frei. Rundum sind Stühle aufgereiht, und auf der kleinen Fläche in der Mitte tanzen unglaublich viele Paare und erzeugen mit ihren Sohlen ein rhythmisches Durcheinander.
    Es ist ein wahres Spektakel, wie die Paare, Ellenbogen an Ellenbogen, tanzenden Derwischen gleich, um die eigene Mitte kreisen: die Jungs in ihren weißen Hemden steif und kerzengerade, die Mädchen in ihren mit Schultertüchern umschlungenen Kleidern, in denen üppige Busen wogen, viel rustikaler als die Campochiaro-Schwestern, die mir bislang als das Nonplusultra in dieser Kategorie erschienen waren. Das hier sind wirkliche country girls ; keine von ihnen hat die fünfte Volksschulklasse geschafft, ihre Arme und Beine sind drall, und die wohl gerundeten Hüften prädestinieren sie dafür, den Tanz der sieben Schleier zu tanzen. Die Atmosphäre ist ausgesprochen exotisch, das muss man schon sagen. Stimmen und Gelächter sind so melodiös wie die der Pygmäen - immerhin hielt sich wegen ihrer stimmlichen Qualitäten jeder Pharao Pygmäen am Hof -, und am Ende eines jeden Stücks trällern alle mit. Bei der Musik handelt es sich trotz des Gitarrenverzerrers
um die übliche, um Mazurkas nämlich: Wir sind bei der nächsten Hochzeitsfeier gelandet. Gewiss, das Ambiente ist aufgeheizter, aber das kommt daher, dass die Bauern, wenn sie sich wirklich vergnügen, ganz aus sich herausgehen. Die drei Typen, die Musik machen, drängen sich in einer Ecke zusammen. Den Bassisten und den Gitarristen kenne ich. Das Schlagzeug bearbeitet ein Jüngelchen mit Schnurrbart beziehungsweise dem Flaum

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