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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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mit kaltem Wasser zu waschen und stinkendes gebratenes Zeug zu essen, das, wenn es gut ging, aus einer Rosticceria stammte. Andererseits hatte er auch keine Lust, ins Dorf zurückzukehren. Nicht ausgeschlossen, dass er das eines Tages tun würde - dort warteten mit Sicherheit ein gefüllter Teller und ein Dach auf ihn -, aber jetzt noch nicht. Ja, die Epoche der großen revolutionären Umwälzungen war bereits im Untergang begriffen, doch er war noch jung, und bevor er wieder in seine bürgerliche Existenz zurückschlüpfen würde, wollte er sich noch ein wenig den Wind um die Ohren wehen lassen. Aber wie, wo er doch keine einzige Lira sein Eigen nannte? Und während er über diese entscheidende Frage nachgrübelte, erregte plötzlich etwas seine Aufmerksamkeit.
    Platt wie jene Läuse, die man oft in den Schamhaaren findet, schlich ein feuerroter Ferrari um den Platz herum. Apache, der aufgrund seines ideologischen Credos immer eine nur heimliche Leidenschaft für das Rot der Firma aus Maranello gehegt hatte, verfolgte mit dem Blick, wie das Auto über die holprigen Pflastersteine fuhr, ein paar Meter von seinem Standort entfernt anhielt und aus der Tür, die so stromlinienförmig war wie ein Flugzeugflügel, den Schweizer entließ. Er erkannte ihn nicht sofort wieder. Der Schweizer war so anders, dass er fast ein anderer zu sein schien. Aber er war es, da gab es gar keinen Zweifel, und während Apache nach süditalienischem Brauch seinen Namen - seinen Spitznamen also - brüllte und auf ihn zustürzte, um ihn zu umarmen, unterbrachen die Großstadtindianer, die diese Szene mit feindseligen Blicken verfolgt hatten, ihre emsige Geschäftigkeit. Gemäß der Stammessitte hielten sie das Fraternisieren mit den Besitzern solcher Fahrzeuge nämlich
für ungehörig, zumal der Schweizer nicht irgendein reicher Schnösel war: Bleich wie der Tod, das Gesicht hinter der üblichen, aber schwarzen Ray-Ban verborgen, in einen langen, schauderhaften Ledermantel gemummelt, der nur die hochhackigen Stiefeletten sehen ließ, erkannte man auf den ersten Blick, was er war. Dessen ungeachtet riskierte Apache ein paar Minuten nach der Begegnung eine Rüge der Indianer und ließ sich vom Innenraum des aerodynamischen Sportwagens verschlucken: War nicht die Freundschaft, wie er in Black Elk Speaks gelesen hatte, der heiligste aller Werte? Außerdem kann der Schein durchaus trügen.
    Der Wagen der Sonderklasse brauste mit einem klassischen Kavalierstart davon und beendete seine Wahnsinnsfahrt erst auf einem großen freien Platz am Tiber. Während Apache den Champagner trank, den er der Minibar in der Mittelkonsole entnommen hatte, lauschte er dem Schweizer, der ihm begeistert von seinem neuen Leben als Krösus erzählte. Die Erleuchtung war ihm in Christiania gekommen; dort hatte er begriffen, wie man das werden konnte, wovon er immer geträumt hatte. Während wir unbekümmert den Müßiggang der Hippies genossen hatten, hatte er die ersten Millionen - in Lire - verdient. Nachdem er uns dann unserem Schicksal überlassen hatte - und das waren die einzigen Gewissensbisse, die er verspürte: »Aber ihr wart ja so ausschweifend und seid es noch« -, war er ins Dorf zurückgekehrt, hatte Pits Plantage plattgemacht - aha, er war das also gewesen! - und war mit dem Verkaufserlös ins Geschäft eingestiegen. Aber ins ganz große Geschäft! Natürlich verschwendete er keine Zeit mehr mit Gras: Bald schon handelte er mit Heroin, dem besten, das auf dem Markt war.
    Dann war es also doch nicht nur der äußere Schein, sagte sich Apache und schleuderte ihm aus einem von der Ideologie seiner Bewegung geprägten Impuls heraus ins Gesicht: »Du bist ja wahnsinnig! Du verkaufst den Tod!« Dann aber fügte er ruhiger hinzu: »Es tut mir leid, mein Freund, aber das war’s. Was die harten Drogen angeht, so verstößt das gegen meine Prinzipien als Großstadtindianer«, und öffnete die Tür, um auszusteigen.

    Emmental hielt ihn am Arm fest und murmelte mit flehentlicher Miene: »Okay, okay, ich versteh dich ja … Lass dir aber doch wenigstens ein Abendessen spendieren als Entschädigung dafür, dass ich euch in Christiania übers Ohr gehauen habe: Es ist ein zutiefst reuiger Freund, der dich darum bittet.« Und dann führte er ihn ins Restaurant des Hassler aus - jenes phantastischen Hotels am oberen Ende der Spanischen Treppe, oberhalb der Piazza di Spagna, damit auch ja keine Missverständnisse entstehen.
    Das unvergleichliche nächtliche Panorama der

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