Ferne Verwandte
CalcianTour, wie es auch Fausto tun müsste, aber statt ihn gratis eines seiner effizienten Transportmittel besteigen zu lassen, hat Signor CalcianTour es vorgezogen, ihm gleich eine ganze Wohnung zu mieten, wo er zusammen mit Sonia wohnen soll. Das ist seine Schwester, die früher in Bologna studiert hat, und das sagt schon alles: Sie ist so’ne Art Hippie, also’ne Nutte hoch drei. Fausto soll ein Auge auf sie haben, aber er kümmert sich einen Dreck um sie; es ist also klar, dass die Schwester ihm ihre Freundinnen anschleppt, und so, wie die Sache heute Abend gelaufen ist, werden auch wir bald bei denen zu Hause sein.«
»Verdammt, ein echtes Arschloch«, lacht der Schweizer und bietet uns eine letzte Zigarette an. Wir rauchen mit zufriedenem Blick auf die nahen Dörfer, die funkeln wie kleine, zwischen den Gipfeln des Apennin hängen gebliebene Sternbilder, bis die Kälte uns plötzlich erstarren lässt.
Am nächsten Tag im Postbus auf dem Weg von der Schule nach Hause teilen Apache und Tarcisio uns mit, dass die Mädchen wie
vereinbart kommen würden, alle, ohne Ausnahme, und zwar mit Faustos tollem Fahrzeug - einem Mirafiori -, und dass sie in Maras Augen schon eine unmissverständliche Geilheit hätten aufblitzen sehen.
»Die machen mit, die machen mit. Wir bilden’ne Sexgrup… Dann leg ich auch die Tiziana flach. Nur du Apache, pass auf, wo du ihn hintust, für meine Begriffe bist du schon immer leicht aus der Spur gewesen.«
»Beruhig dich, Schweizer, sonst machst du noch alles kaputt. Hauptsache, man schafft die richtige Atmosphäre. Organisation, dazu braucht man Organisation. Abfahrt fünf Uhr.«
Als wir aber nach einem Labyrinth kleiner Schotterstraßen endlich am Ziel ankommen, entpuppt sich Tarcisios Villa als das, was sie ist: eine Bruchbude. Er zuckt die Schultern: »Ja, sie müsste mal richtig durchgeputzt werden … Es kommt nie jemand her.«
»Na großartig! Die überhaupt zu finden! Hast du ihnen auch gut erklärt, wie sie herkommen?«
»Ich habe ihnen einen Plan skizziert.«
»Bestimmt’n heilloses Durcheinander … Schaun wir mal, was wir noch machen können.« So spricht Apache, der sich in Sachen Innenarchitektur am besten auskennt.
Nach einer genauen Inspektion stellt sich heraus, dass der einzig akzeptable Raum der Speicher mit der typischen Dachschräge ist. Wir montieren ein paar rote Spotlights, die Apache von zu Hause mitgebracht hat, »um die richtige Atmosphäre zu schaffen«.
»Die werden doch nicht zu sehr an’nen Puff erinnern?«
»Verdammt, wenn sie doch die Beine breit machen wollen! Ich hab sie jedenfalls mit Absicht mitgebracht.«
Wir schleppen Matratzen hinauf und legen sie an der Stelle auf den Boden, wo der Speicher so niedrig ist, dass man nicht sitzen kann, ohne sich den Kopf anzuhauen. »Flachlegen müssen die sich in jedem Fall.«
Und da hat Apache einen seiner Geistesblitze. Er zieht die Statue eines Heiligen aus ihrem Glasgehäuse, legt die Hülle einer Platte
mit einer seltsamen Zeichnung hinein - »Das ist ein tibetisches Mandala; wenn du draufstarrst, dreht sich alles« -, stellt das Ganze auf ein Podest und legt darunter den Säbel von Tarcisios Großvater, der im Ersten Weltkrieg Kavallerist war. Rundherum platziert er Dutzende von Kerzen und Räucherstäbchen. Es ist das erste Mal, dass ich so etwas sehe. Zufrieden bewundern wir das Werk, und während wir auf das Mandala starren, dreht es sich wirklich.
Apache hat sich auch um die Musikauswahl gekümmert. Er hat eine Abfolge von sieben LPs ausgeklügelt, um die Geilheit der Mädchen unaufhaltsam bis zum Höhepunkt zu steigern. Während er sie der Reihe nach auf den Stift seines Reader’s Digest Stereo legt, sagt er: »Wenn sie bei den Moody Blues nicht mit uns bumsen, kastrier ich mich.«
Es bleibt kaum Zeit, an das Büfett zu denken, das natürlich der Schweizer gestiftet hat. »He, du spielst doch immer den Transkontinentalen, und dann kommst du mit so’nem Zeug daher« - getrocknete Feigen, glasierte Kekse, typische Hausmannskost - »wenigstens eine Salami hättest du mitbringen können, das wär ja auch allusiv … Na ja, du weißt ja nicht mal, was ›allusiv‹ bedeutet.« Zum Glück habe ich, als eigenen kleinen Beitrag, Oliven, Crackers und Kartoffelchips spendiert. Für die Getränke hat Tarcisio gesorgt: den üblichen miesen säuerlichen Wein. »Zumal die Mädchen ja fast nichts trinken. Drogen , das wär jetzt das Wahre!«
»Ja, damit sie mich erwischen und ich das Visum für
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