Ferne Verwandte
kontrolliert, ob sie auch tatsächlich in die Schule geht. Doch selbst am Sonntag laufe ich gleich nach Renata stets zu Imma.
Es ist ein besonderer Hochgenuss, nach der einen Frau gleich noch eine andere zu vögeln. Das ist, als hätte man nach einem Anstieg mit dem Fahrrad plötzlich den Abhang vor sich und könnte, den Wind im Gesicht, im Leerlauf hinunterflitzen. Ein Gefühl beschwingter Allmacht stellt sich ein - ich weiß nicht, ob ich das gut rüberbringe. Vermutlich hat es damit zu tun, dass ich, nachdem ich es mir so intensiv ausgemalt habe, nun persönlich erlebe, was zwischen einem Mann und einer Frau alles passieren kann. Ihren Fuß am Knöchel anzufassen, das Bein nach oben zu biegen, bis sie eine obszöne, affenähnliche Position einnimmt, in sie einzudringen und dabei ihren verlorenen Blick im Auge zu behalten, um sie dann, wenn sich unsere Gerüche vermischt haben, in den Mund zu ficken - das ist schließlich der Ort, der dem Gehirn, dem Sitz des Denkens, wenn nicht gar der Seele, am nächsten ist -, bis sie dich ganz ausgesaugt hat und du, wenn du sie küsst, auf ihrer Zunge deinen eigenen Geschmack entdeckst. Das ist eine der Kuriositäten des Lebens, und sie zieht andere nach sich. Zum Beispiel frage ich Imma eines Tages, als wir gerade fertig sind, warum ihre Wahl ausgerechnet auf mich gefallen ist.
Sie hat sich ausgerechnet für mich entschieden, weil ich ihr gefalle, weil ich sie an Pit erinnere - und das erfüllt mich mit Stolz -, weil ich noch ein Junge bin und - wie ist es nur möglich? - nicht einmal ihr vor Eifersucht glühender Ehemann etwas vermutet. Vor allem aber, weil ich ein Einzelgänger bin - meine Beatära ist ihr vollkommen entgangen, da sie außerorts stattgefunden hat - und keine Freunde habe, denen ich erzählen könnte, dass ich es ihr besorge. Wo es doch, aufrichtig gesagt, sie es ist, die es mir besorgt. Ich bin unerfahren, und sie führt mir die Hand, am Anfang zumindest. Kaum ist allerdings ein Monat vorbei, da flüstert sie schon: »Ganz schön ausgebufft!«, und auch Renata ist von Woche zu Woche zufriedener. Sonntags sehe ich sie beide vom Chor aus, während ich die Orgel spiele: Imma mit gesenktem Haupt auf den Knien, Renata zwischen Vater und Mutter, und ich sage mir, dass die Dinge nicht besser laufen könnten.
Auch Saro kann sich nicht beklagen. Er hegt keinerlei Verdacht, obwohl ich es mit seiner Frau fast schon unter seinen Augen treibe, sondern hat mich, im Gegenteil, geradezu liebgewonnen. Wenn in der Bar wenig los ist, was selten vorkommt, plaudert er mit mir. Dann erzählt er mir von seiner Karriere als Boxer, in deren Verlauf er schon einigen Ruhm eingeheimst hatte, bis er wegen der Geschichte mit den »rosa Balletten« eingebuchtet worden war - über dieses Thema schweigt er sich allerdings aus. Dafür erkundigt er sich nach meiner Familie, nach meinen Verwandten in Amerika und fragt, wann ich dorthin gehe, denn auch er hat immer davon geträumt - alle träumen davon. Die Tatsache, dass seine Frau sich verändert hat, empfindet er als wohltuend. Seit ich da bin, ist sie nämlich wieder ganz die Alte; sie lacht und scherzt mit den Gästen, was zu einer Steigerung des Umsatzes geführt hat. Hin und wieder beugt er sich aus seiner Bastion hervor und blickt selbstgefällig und schadenfroh zur Bar Rosetta hinüber, die immer leer ist.
Auch Nonnilde kann sich nicht beklagen. Selbst wenn sie nicht genau weiß, was ich alles treibe, ist es ihr sehr recht, dass ich sie um keine Lira mehr bitte, und sie freut sich auch über die Pralinen, die ich ihr gelegentlich mitbringe. Zwar komme ich auf ausdrückliche Bitte von Imma mit niemandem mehr zusammen - sie hat Angst, dass ich unser Geheimnis ausplaudere -, andererseits habe ich mich in meiner neuen Rolle als Schüler-Handlanger-Vögler so gut eingerichtet, dass ich das nebulöse Geschwätz von Apache, der sich jetzt als Hippie geriert - die Beatniks sind bereits passé -, sowieso nicht mehr ertrage, ebenso wenig wie das infolge der zehn bei seinem Cousin in Latina verbrachten Tage noch nebulösere Gewäsch von Tarcisio, der dort in seiner kommunistischen Überzeugung noch bestärkt worden ist. Als dann auch noch der Schweizer aus Zürich zurückkommt, ebenfalls mit nebulösen Geschichten - ihm soll der Eintritt in ein Kasino gelungen sein, aber nach dem zu urteilen, wie er es erzählt, phantasiert er sich mit Sicherheit nur etwas zusammen -, lasse ich mir nach einem Abend, an dem wir alle zusammen verzweifelt im
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