Fernsehkoeche kuesst man nicht
Silke zurück, und ich zupfte die Hälfte der klumpigen Tusche wieder herunter.
»Vielleicht sollten wir vorher noch zu McDonald’s fahren«, überlegte ich laut, während ich meine Haare bürstete, bis sie glänzten.
Silke stutzte. »Denkst du, die Portionen in einem Nobelrestaurant sind so winzig?«
»Nein«, gab ich zu. »Aber ich denke, dass zumindest meine Portion ungenießbar sein wird. Es würde mich nicht wundern, wenn mir Raphael anstatt des Trüffels Fliegenpilz über das Essen streute.«
»Du spinnst! Wenn er wirklich vorhätte, sich an dir zu rächen, dann wäre er wohl kaum so dämlich, das in seinem eigenen Restaurant zu tun, wo es doch sofort auf ihn zurückfällt.«
»Jeder Mensch begeht mal einen Fehler.«
»So wie du, meinst du wohl.«
Ich fand es ungerecht, dass sie weiter darauf herumritt, trug es doch nicht gerade dazu bei, mein Gewissen zu beruhigen. Aber da sie recht hatte, seufzte ich nur.
Im Übrigen war Silke nicht die Einzige, die im Internet recherchiert hatte, ich hatte ebenfalls das ganze Netz nach Raphael Richter abgesucht. Allerdings war sein Restaurant für mich von weniger großem Interesse gewesen. Vielmehr hatte ich nach seinem Privatleben geforscht. Aber entweder es gab keines, oder er war so geschickt darin, es zu verbergen, dass man unmöglich etwas über ihn erfahren konnte.
Es gab etliche Einträge zu Raphaels Kochsendung, aber kaum welche zu seiner Person. Erst heute Morgen hatte ich www.diekochendeleidenschaft.de eingegeben und mich beim Anblick des riesigen Fischs auf der Startseite erst einmal zu Tode erschreckt. Aber immerhin gab es auf dieser Seite einen kleinen Artikel über seine Vita. Ich fand es äußerst spannend zu lesen, wo Raphael schon überall auf der Welt gewesen war. Und ich konnte auch nicht widerstehen, als ich sein Foto daneben sah, und speicherte es auf meinem PC ab. Es zeigte einen ganz anderen Raphael als den, den man in seiner Sendung zu sehen bekam. Ernst und nachdenklich. Und doch mit dem verstrubbelten Haar und den geschwungenen Lippen von unglaublicher Sinnlichkeit.
Dann hatte ich entdeckt, dass es sogar eine Biografie von Raphael gab. Und auch wenn ich mir einzureden versuchte, dass es sicher nicht nur Groupies waren, die sich diese Biografie bestellten, hatte ich doch ein mulmiges Gefühl, als ich die Bestellung aufgab. Das Buch war bereits heute Morgen angekommen und ich hatte es wohlweislich vor meiner Schwägerin versteckt. Dass es unter meinem Kopfkissen lag, musste sie ja nicht unbedingt wissen.
In diese Gedanken hinein klingelte es an der Haustür, und ich zuckte wie ertappt zusammen.
»Es ist halb sieben, wer kann das denn jetzt sein?«, fragte Silke.
»Oh nein!«, entfuhr es mir, als mich eine böse Ahnung erfasste. Ich war mir so sicher gewesen, dass Brahms die Abfuhr verstanden hatte. Doch als ich mich zur Tür gequält hatte, wich meine Befürchtung der gnadenlosen Realität:
»Ich habe Ihnen Blumen mitgebracht«, sagte Brahms, obwohl das nicht zu übersehen war, denn er trug den Strauß vor sich an die Brust gepresst.
»Da liegt wohl ein Missverständnis vor«, begann ich, schluckte den Rest aber hinunter, als ich Brahms’ enttäuschtes Gesicht sah. »Darf ich Ihnen meine Schwägerin vorstellen? Frau Dr. Catsan.«
Sie schüttelten einander die Hände. Brahms mit einer strammen Haltung, Silke mit geschürzten Lippen.
»Dr. Henning -Catsan «, verbesserte sie.
»Brahms«, sagte Brahms. Es hätte mich nicht gewundert, wenn er dabei die Hacken zusammengeschlagen hätte. Er war in etwa so entspannt wie ein Besenstil. So gesehen passten wir gut zusammen, denn auch meine Nerven lagen blank.
Wir ließen uns von Brahms in seinem alten Volvo zum Restaurant fahren. Unterwegs warf ich noch den Brief für die Versicherung in den Kasten. Den anderen, der Raphaels Namen trug, presste ich in der Handtasche fest an mich.
Das Raphaello lag direkt am Rhein, etwas außerhalb vom Stadtzentrum in Richtung Rodenkirchen . Deshalb bot sich uns kein Blick auf bunte Fährschiffe, sondern eine wunderschöne Aussicht auf das Ufer mit Bäumen und Kiesstrand. Das Restaurant selbst war in einem alten Fabrikgebäude aus Backstein untergebracht. Die Rheinseite bestand zum größten Teil aus Fensterfront. Eine schmiedeeiserne Pergola überdachte einen Teil der Terrasse. Weißes Tuch bauschte sich zwischen den einzelnen Pfosten. Neben der Eingangstür standen zwei Wildschweine aus schwarzem Stein. Eine junge Frau mit auffällig roten
Weitere Kostenlose Bücher