Fernsehkoeche kuesst man nicht
schon einen trockenen Hals, deshalb schenkte ich mir erst einmal ein Glas Apfelschorle ein. Ich trank gierig. Erst danach klebte ich die Umschläge zu, schrieb auf den einen schlicht Raphael Richter und auf den anderen die Adresse der Versicherung.
Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich mir damit gerade mein eigenes Grab geschaufelt hatte.
Raphael
Alles war perfekt vorbereitet. Raphael war besonders stolz auf sein schlichtes Menü. Wenn andere ihre Radieschen in Scheiben schnitten und sie dann als Carpaccio anpriesen, fand er das lächerlich. Er nannte die Dinge gerne beim Namen, und ebenso wenig hatte er Verständnis dafür, wenn ein Gericht durch übertriebenes Garnieren verunstaltet wurde. Nicht umsonst lobte die Presse seine Küche als herausragenden Balanceakt zwischen Bodenständigkeit und Innovation.
Das heutige Menü machte ihm also keine Schwierigkeiten. Trotzdem war er nervös.
Ob es daran lag, dass Evie ihn am Vormittag dabei erwischt hatte, wie er die Gästeliste unbewusst verziert hatte? Er hatte dem Namen der Anästhesistin beim Telefonieren mit Kuli einen dicken Rahmen verpasst.
»Ist das ein besonderer Gast?«, hatte Evie sich erkundigt. Ihm war daraufhin keine Erwiderung eingefallen, die auch nur annähernd erklären konnte, was in ihm vorging. Deshalb hatte er den Zettel zerknüllt und in den Papierkorb geworfen.
Jetzt überflog er zum wiederholten Male seine Notizen. Es würde keine Überraschungen geben. Er würde nicht plötzlich erfahren, dass ein Großteil der Gäste den Fisch á la carte bestellt hatte und dann ins Kühlhaus eilen müssen, um weitere Portionen herauszulösen.
Sein Team war gut organisiert. Er selbst übernahm wie immer den Fleisch- und Soßenposten, was nicht bedeutete, dass er dem Entremetier nicht aushelfen würde, wenn es die Situation erforderte.
Seinen Status hatte er sich hart erarbeitet. Nach seiner Ausbildung in einem Hotel in Baiersbronn hatte er unter anderem in Bozen, Hamburg und auf der MS Europa gekocht, bevor er nach Köln zurückgekehrt war. In seinem Urlaub kochte er sich durch die Toskana und die Emilia Romagna. Seine Liebe zur italienischen Küche gründete auf seiner norditalienischen Großmutter, die ihn als Kleinkind mit sinnlich schlichter Polenta gefüttert hatte.
Doch hatte seine Kochleidenschaft einen Knick erhalten, nachdem Susanne ihn mit der Begründung verlassen hatte, ein einfacher Koch könne wohl kaum eine Familie ernähren. Ob sie das inzwischen bereute, wusste er nicht. Es war ihm auch einerlei.
Einen Moment dachte er noch darüber nach, wie viel Geld Ärztinnen wohl verdienten. Bestimmt so viel, dass sie nicht auf einen Mann angewiesen waren. Dann stellte er fest, dass ihm das eigentlich auch egal sein konnte.
Kapitel 13
»Du siehst aus, als gingst du zu einer Hochzeit«, sagte Silke und schnaubte. »Zu deiner eigenen Hochzeit!«
Sie hatte recht: Ich konnte unmöglich wie ein wandelndes Baiser auf dem Sommerfest auftauchen. Außerdem passte das weiße Kleid überhaupt nicht zu den neuen Schuhen. Ich schälte mich wieder heraus und stopfte es zurück in den Kleiderschrank. Stattdessen wählte ich einen dünnen, gelben Pullover und einen jeansblauen Faltenrock, der eine Handbreit über dem Knie endete. Das Ganze toppte ich mit einem hellblau gepunkteten Tuch. Abendgarderobe hin oder her, bei dem Wetter würde ich mich nicht in ein schwarzes Kleid zwängen. Ich wollte sexy aussehen, aber nicht so sexy, dass meine männlichen Kollegen anfingen zu sabbern. Wenn sie sabberten, dann bitte einzig und allein wegen Raphaels Kochkunst.
Silke trug ein Sommerkleid mit Blumenprint. Sie sah aus wie eine Rose, die unbedingt gepflückt werden wollte, was ich voller Argwohn feststellte.
»Es gibt wohl keine Möglichkeit, dich noch davon abzubringen?«, fragte ich mit einem Quäntchen Resthoffnung in der Stimme.
»Nein!«
»Na gut«, seufzte ich und puderte meine Nase.
»Das Restaurant ist ein Traum«, erzählte Silke. »Ich habe mir das im Internet angesehen. Sie bieten 120 Sitzplätze auf der Terrasse an und ebenso viele im Innenbereich. Und denk dir nur: In Raphaels Küche arbeiten allein zwölf Köche! Kannst du dir das vorstellen?«
»Hoffentlich nicht alle auf einmal«, sagte ich und tuschte mir die Wimpern.
»Und ich hoffe, wir sitzen draußen. Das ist so furchtbar romantisch.«
»Ja«, bestätigte ich, »vor allem mit den Fliegen im Weinglas.«
»Davon hast du wohl schon welche an den Wimpern kleben«, gab
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