Fernsehkoeche kuesst man nicht
hygienisch.
»Hier!« Er drückte mir eine Schüssel mit Fisch in die Arme. Ich konnte wohl froh sein, dass dieser nicht roh war, denn Raphael sah alles andere als geduldig aus.
»Gibt es kein Besteck?«
Knurrend riss Raphael eine der vielen Schubladen auf und holte einen Servierlöffel heraus. Ich wollte schon protestieren, da schob er mir den ersten Brocken Meerbarbe in den Mund.
»Oh«, stöhnte ich auf und kaute genüsslich. »Oh«, sagte ich, und noch einmal: »Oh!« Selbst kalt war es ein Hochgenuss. Und er hatte recht: Der Löffel konnte gar nicht groß genug sein!
»Mehr!«, befahl ich, und sofort verschwanden Happen zwei und drei in meinem Mund. Ich verdrehte die Augen, was Raphael zu animieren schien: Er schob eine Pfanne auf den Herd und durchwühlte den Kühlschrank nach weiteren Zutaten. Routiniert schnitt er Aprikosen auseinander und höhlte sie mit einem scharfen Löffel aus. Das Fruchtfleisch verarbeitete er zu einem Mus. Dann tröpfelte er süßen Balsamico in die Pfanne, der sofort karamellisierte, und schwenkte die Aprikosenhälften darin. Das Ganze richtete er liebevoll auf einem Teller an, füllte krümeligen Ricotta in die Fruchthöhle und kleckste eine Haube Fruchtmus obenauf.
»Das lohnt doch nicht«, wollte ich sagen, war aber allzu fasziniert von seinen Fingern, die die Frucht so sorgsam arrangierten. Er tauchte eine Gabel in das weiche Fleisch und ließ es in meinem Mund verschwinden. Ich hätte schwören können, dass meine Geschmacksknospen explodierten, als diese pralle Süße der Frucht gemeinsam mit dem milden Käse meine Nervenenden erreichte. Ich schloss die Augen.
»Das war es, was du gebraucht hast, nicht wahr?«, fragte Raphael.
»Ja«, seufzte ich heraus. Ich blickte in seine Augen und hatte das Empfinden, das Blau würde herauslaufen und geradewegs auf meine Zunge tröpfeln. Ich leckte mir über die Lippen.
»Geht es dir jetzt besser?« Seine Stimme vibrierte warm. Ich nickte. Endorphin und Oxytocin überschwemmten mein Blut. Ganz sicher war aber auch eine Spur Testosteron dabei, denn ich knurrte plötzlich: »Ich will aber Fleisch!«
Raphaels Hand hielt auf halbem Weg zu meinem Mund inne. »Wirklich?«, fragte er überrascht und drückte mir dann mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen den Teller in die Hand. Ich verputzte genüsslich den Rest der Aprikose, während Raphael Öl in ein Filetstück einrieb. Er öffnete eine der vielen Büchsen ohne Etikett, die im Regal standen. Diese Gewürze hatte ich in meinem Leben noch nie gerochen. Aber als das Fleisch zischend seine Poren schloss und wenige Sekunden später ein exotischer Geruch durch die ganze Küche zog, da sog ich alles gierig in mich auf, wie einen lang vermissten Duft. Fasziniert beobachtete ich seine Finger, die Tomaten aufschnitten, um sie dann in einem Topf zu reduzieren. Nebenbei brühte er einige Fäden Safran mit einem Schuss heißen Wassers auf.
»Woher sind diese Kräuter?«, wagte ich zu fragen, nachdem er das Fleisch auf einen Teller gelegt hatte.
Raphael schnitt das Lamm auf und pustete für mich. »Aus Jerusalem.«
Jerusalem.
Allein der Name krabbelte mir aphrodisierend über die Arme und stellte dabei alle Härchen auf. »Hast du sie im Internet bestellt?«
Er schüttelte den Kopf und schob mir endlich den Bissen in den Mund. Ich kaute. Ich vergaß zu atmen, zu denken und auch sonst alles, was Raum und Zeit ausmachte. Das Fleisch zerteilte sich fast von selbst, musste nur ein klein wenig von meinen Zähnen überredet werden. Ein Tropfen Bratensaft lief mir über das Kinn.
»Ich habe letzten Sommer dort auf dem Machane Yehuda Markt gekocht«, raunte Raphael nahe meinem Ohr. Sein Atem traf die Nervenfasern meiner Haut und hauchte eine unverkennbar erotische Botschaft in meinen Unterleib. »Diese Gewürzmischung nennt sich Zatar . Sie besteht aus Sesamsamen, syrischem Ysop und Salz.« Sein Daumen fing den Tropfen auf meinem Kinn auf. Er fuhr damit über meine Unterlippe. Und ohne die Kontrolle über Geist und Körper zurückgewonnen zu haben, schnappte ich zu und saugte daran.
Raphael atmete schwer. Er zog seine Hand weg, tauchte den Zeigefinger in die dunkelrote Soße. »Koste«, sagte er. Es war nicht allein der Geschmack der Tomatensoße, der mich umhaute, viel mehr war es die Kombination von allem: Raphaels Wärme, seine Stimme; sein Arm, der meine Brust streifte; der Oberschenkel, der sich gegen mein Knie presste. Seine Fingerkuppe stieß an meinen Gaumen und die Safranfäden
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