Fernsehkoeche kuesst man nicht
durchwebten meine Mundhöhle mit einem sinnlichen Netz aus Aromen.
»Und jetzt sag bloß nicht, es wäre lecker!«, drohte er.
Lecker war ganz und gar nicht der Ausdruck, der mir auf der Zunge schwamm. Es war grandios, köstlich, deliziös. Es gab einfach kein Wort, das es angemessen beschreiben konnte. Außer vielleicht …
»Schmackofatz!«, brach es aus mir heraus.
Raphael stockte. Dann lachte er auf. »Okay«, sagte er, »damit kann ich leben.« Er löffelte die Soße in meinen Mund und fütterte mich nebenbei mit Lammhäppchen.
»Hast du überhaupt schon gegessen?«, fragte ich zwischen zwei Bissen.
Er schüttelte den Kopf. »Essen kann man das nicht nennen«, gab er zu. »Man probiert ständig zwischendurch und hat so eine Art Grundsättigung, aber um mich hinzusetzen und eine komplette Mahlzeit zu mir zu nehmen, fehlt mir die Zeit.«
»Ist das oft so?« Ich war entsetzt über diese Vorstellung.
Er zuckte mit den Schultern. »Meistens.«
»Das kommt bei uns im Krankenhaus auch schon mal vor. Ich habe deshalb immer Traubenzucker in der Tasche, damit ich im OP nicht umkippe.« Ich nahm Messer und Gabel aus seiner Hand und schnitt ihm auch ein Stück Fleisch ab. Wir kauten beide und genossen die gefräßige Stille. Das wohlige Gefühl in meinem Magen breitete sich aus und lullte mich ein.
»Was waren das eigentlich genau für Tropfen, die du mir gegeben hast?«, fragte Raphael, und ich antwortete unbedacht:
»Och, bloß Laxoberal. Eben ganz normale Abführtropfen.«
»Wirken die immer so zeitverzögert?«, erkundigte er sich.
»Meistens schon.«
»Aha.« Er nahm eine Haarsträhne von mir und zwirbelte sie zwischen den Fingern. Das allein hätte mich misstrauisch machen müssen. Mal ehrlich, wann tut ein Mann so etwas, wenn er nicht gerade irgendeine Gemeinheit plant? Vermutlich ist das so ein Männer-Hypnose-Trick. Sie zwirbeln dir das Haar und sehen dabei ganz nachdenklich und weich aus und so friedlich wie ein Zweifingerfaultier.
»Wieso seid ihr überhaupt in dieser Nacht in mein Zimmer gekommen, du und deine Freundin?«
»Meine Schwägerin«, verbesserte ich. »Das tut mir echt leid, aber ich konnte sie einfach nicht davon abhalten. Sie ist nämlich das Groupie, nicht ich!«, meinte ich noch hinzufügen zu müssen.
»Du hast meine Sendung vorher gar nicht gekannt?«, hakte er nach.
Wieso nur hatte ich das Gefühl, als müsste ich mich gerade entscheiden, welchen Draht ich durchschneide? Rot oder blau?
»Silke hat mir ein Video von dir gezeigt, bevor wir zum Krankenhaus gefahren sind. Irgendwas mit Zucchini.«
Er ließ meine Haarsträhne fallen und lächelte. In seinen Augen blitzte etwas auf. Wenn ich schlauer gewesen wäre, dann hätte ich das Warnschild gesehen: Haialarm! Aber ich war viel zu fasziniert von seinen dichten Wimpern. Sie waren vermutlich der letzte Strohhalm, an dem ich mich festhalten konnte, um nicht in die Untiefen seiner Iris gezogen zu werden.
Er schob das Essen beiseite und beugte sich zu mir herunter. »Weißt du«, wisperte er, und seine Lippen berührten dabei mein Ohr, »deine Tropfen haben in meinen Eingeweiden gelodert wie ein Lagerfeuer.«
Ein wohliger Schauer durchrieselte mich. »Wirklich?«, fragte ich, ohne den Sinn seiner Worte zu verstehen. Ich hörte nur »lodern« und »Feuer« und spürte, wie sein Atem ein ebensolches in mir entfachte. Ja, ja, ja!, dachte ich und stapelte bereitwillig Stöcke in Form eines Tipis.
»Es brannte überall«, fuhr er fort und begann tatsächlich, an meinem Ohrläppchen zu knabbern.
Mehr Sauerstoff!
»Und ich will, dass du dieses Feuer auch fühlst.«
Ich fühle ja, ich fühle! Ein sehnsuchtsvolles Seufzen entfuhr mir, aber Raphael sprach gleich weiter:
»Ich will, dass du es ebenso zu spüren bekommst wie ich.«
Moment!, dachte ich, das klang nun nicht mehr ganz so nett.
»Du wirst brennen«, versprach er. »Jetzt.«
» W-was?« Ich riss die Augen auf und schnappte nach Luft. Raphael entfernte sich kurz, was mir ganz und gar nicht gefiel. Dann stellte er mir einen Korb auf den Schoß.
»Du darfst dir auch einen aussuchen!«, sagte er gnädig und deutete auf den Inhalt.
»Chilis?«, quiekte ich erschrocken auf.
»Gut erkannt.«
»Äh, hübsch sehen die aus.« Ich machte Anstalten, von der Theke herunter zu hüpfen. Doch Raphael packte mich an den Schultern und zwang mich, ihn anzusehen.
»Du wirst einen von diesen Chilis jetzt essen«, befahl er.
»Nie im Leben!«
»Und du wirst es sogar freiwillig
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