Fesseln der Erinnerung
haben könnte. „Das einzig Gute daran ist, dass der Scheißkerl sie nicht gleich töten wird.“ Nein, denn anders als bei der Ärztin würde Bonner Sophie für seine grausamen Spiele missbrauchen.
Max ballte die Fäuste.
„Der Unfall hätte mächtig schiefgehen können“, stellte Clay fest, er musste schreien, um gegen das Trommeln des Regens auf dem Autowrack anzukommen.
„Nein.“ Max schüttelte den Kopf. „Das war genau geplant. Sieh dir nur den Ort an – direkt hinter einer Kurve, sie fuhren also langsam.“
„Damit es funktionierte, mussten die Räder ausgefahren sein“, sagte Clay. „Was sie auch waren – völlig sinnlos bei dem Regen.“
Der Gestaltwandler hatte recht, Max sah sich die Seite des Fahrzeugs genauer an, richtete sein Augenmerk besonders auf die Stelle, wo sich der Hooverantrieb befand. „Sieht nach einem Einschussloch aus. Was meinst du?“ Er zeigte auf ein Loch in dem Kunstmetall.
„Hier ist auch eins“, sagte Clay auf der anderen Seite.
„Er muss ihnen von der Wohnung aus gefolgt sein, hat sie dann überholt und die Straße mit Öl präpariert“, sagte Max, der wusste, wie schlau Bonner vorging. Er hatte bestimmt vorher mit seinem Navigationssystem überprüft, ob es irgendwelche Abzweigungen oder Seitenstraßen gab. „Dann musste er sich nur noch auf die Lauer legen und die Gelegenheit zu einem Schuss abwarten.“ Er sah sich den Innenraum des zerstörten Fahrzeugs an. „Die Gurte auf dem Rücksitz sind durchgeschnitten worden – offensichtlich war Sophia besser gesichert als die anderen beiden.“
„Wenn er sie vorher beobachtet hat, wusste er das auch.“ Clays Augen leuchteten im Dunkeln wie die eines Leoparden. „Scheiße, ein kleines, akzeptierbares Risiko.“
„Für ihn jedenfalls.“ Max richtete sich wieder auf und erwog alle Möglichkeiten, wehrte sich dagegen, sich von Clays Wut anstecken zu lassen. Er musste nachdenken, musste Sophie finden. „Der Scheißkerl verfügt über jede Menge Geld. Seine Familie hilft ihm bei der Flucht. Der wird nicht draußen übernachten oder in einem billigen Hotel absteigen. Ich bin sicher, er ist ganz in der Nähe.“
Clay trat neben Max. „Logischer wäre es, so weit weg wie möglich mit ihr zu verschwinden, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben.“
„Er ist … ungeduldig.“ Max schluckte seine Wut wohl zum tausendsten Mal hinunter, sagte sich, er könne später noch lange genug dem Himmel zürnen. „Er will sie so schnell es geht ganz für sich allein haben.“ Und wenn der Schlächter sie berührte, würde ihr Verstand zerbrechen.
Für alle Zeit.
Nein! Mit zusammengebissenen Zähnen ging Max in die Hocke und untersuchte noch einmal den ganzen Wagen. Offensichtlich waren die beiden auf den Vordersitzen kein Problem für den Angreifer gewesen. Einer von ihnen oder sogar alle beide waren sicher nach dem Unfall bewusstlos gewesen. Es gab keinerlei Anzeichen für einen Kampf.
Er wandte sich dem Fenster zu, durch das Sophie herausgezogen worden war. Direkt darunter glitzerte etwas im Scheinwerferlicht von Clays Fahrzeug … dort könnte sich Bonner mit dem Fuß abgestützt haben, um das Gleichgewicht zu halten. Max beugte sich ganz nah zum Boden und leuchtete mit der eingebauten Lampe seines Handys auf die Stelle.
Klitzekleine Punkte schimmerten auf der dunklen Straße, das Wrack hatte sie vor dem Regen geschützt.
Sand.
Aber irgendetwas irritierte ihn daran. Er nahm die Körner zwischen die Finger und hielt sie noch näher ans Licht. Gelb und rot gesprenkelt und an machen Stellen beinahe blau. „Clay!“
Kurz bevor der Leopard bei ihm war, fiel Max’ Blick auf eine kleine weiße Muschel. „Hast du etwas gefunden?“, fragte der Wächter.
Max zeigte ihm die Körner. „Das ist kein natürlicher Sand. Stammt also eher nicht von einem Strandhaus.“
„Warte mal.“ Clay nahm die Muschel und hielt sie dicht an seine Augen. „Sieht aus, als habe sie einen Überzug. Eine schützende Kunststoffschicht, wenn du mich fragst.“
„Kennst du etwas in der Nähe, wo das Zeug verwendet wird? Wäre abgelegen genug, um Bonner zu gefallen – aber nicht urwüchsig.“ Der Schlächter hatte es gern komfortabel.
Clay kniff die Augen zusammen. „Kit und seine Jungs haben sich mal über ein künstliches ‚Strandresort ‘ lustig gemacht, etwa eine Stunde von hier.“ Er zog sein Handy heraus. „Ich hab noch die Internet-Adresse. Da ist es – Bungalows bieten Intimsphäre, Room-Service und eigene Wäscherei.“
Die
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