Fesseln der Erinnerung
Frau, die Max ihr bestimmt erlauben würde … nur ihr und keiner anderen Frau, wer auch immer es wäre. Das war nun vorbei. Etwas Fremdes nahm in ihr Gestalt an, heiß und entschlossen.
„Ja, ich war da“, sagte Sascha, während Sophia noch gegen das Bedürfnis ankämpfte, ihrerseits Max zu streicheln, zu spüren, wie sich seine Muskeln unter ihren Fingern anspannten. „Ich habe mit Marsha Langholm gesprochen.“
„Worum es geht, ist Folgendes“, Max’ Stimme war so sanft, wie Sophia sie noch nie gehört hatte. „Edward Chan ist in seiner Wohnung ermordet worden, während Sie bei Marsha Langholm waren.“
Saschas Augen wurden ganz groß, sie war offenbar sehr erschrocken. „O Gott, das erklärt natürlich alles.“
18
Lucas strich mit einer Hand beruhigend über Saschas Rücken. „Schon gut, Kätzchen. Reg dich nicht auf.“
„Es geht mir gut – es war nur der Schock.“ Sascha atmete ein paarmal tief durch und sah sie dann an. „Was wissen Sie über meine Fähigkeiten?“
Max sah Sophia an. Sie zog daraus den Schluss, dass sie antworten sollte. „Man sagt, Sie könnten Gefühle wahrnehmen, emotionale Wunden heilen. Den Gerüchten nach sollen Sie eine E-Mediale sein, doch diese Kategorie existiert nicht.“
„O doch, es gibt sie“, sagte Sascha mit einer Bestimmtheit, die man bei ihrer unglaublich warmen Ausstrahlung nicht erwartet hätte. „Ich bin eine Empathin, unter Silentium im Medialnet eine eher nutzlose Fähigkeit. Aber das spielt keine Rolle – im Augenblick sind nur zwei Dinge von Bedeutung: Erstens – ich könnte nie jemanden ermorden, denn das würde auf mich zurückfallen. Ich würde die Auswirkungen in mir spüren und sehr wahrscheinlich selbst sterben. Das kann Ihnen Nikita bestätigen.“
Sophia glaubte Sascha. Sie hatte etwas an sich, das in Sophia den Wunsch auslöste, ihr zu vertrauen. Wenn E-Mediale diese Reaktion auslösten, dann konnte das eine Erklärung dafür sein, warum diese Kategorie getilgt worden war – sie waren eine Bedrohung, denn sie schafften Loyalität ohne Angst, die bevorzugte Waffe des Rats. „Sie sprachen von zwei Dingen, die bedeutsam wären“, warf sie in respektvollem Ton ein. „Was ist das zweite?“
„Ich glaube, ich habe seinen Tod gespürt.“ Ein Flüstern. „Kurz bevor ich Marshas Wohnung verließ, spürte ich eine Welle von Übelkeit, dann wurde alles schwarz – ich glaubte schon, ich würde ohnmächtig. Aber es hielt nur wenige Sekunden an, deshalb dachte ich, es läge nur daran, dass ich zu schnell aufgestanden sei.“ Sie lehnte sich an ihren Gefährten – auf Lucas’ Gesicht stand die wilde Entschlossenheit, sie zu beschützen, doch seine Umarmung war voller Zärtlichkeit. „Der arme Edward. Er hat immer so hart gearbeitet.“
„Sascha.“ Max klang eigenartig vorsichtig. „Haben Sie irgendetwas gesehen oder gehört, das uns vielleicht weiterhelfen könnte? In den Aufzeichnungen der Überwachungskameras klafft eine Lücke von neunzig Minuten.“
Auf Saschas Stirn erschienen tiefe Falten. „Nein. Die Wohnungen sind schalldicht, und ich war in das Gespräch mit Marsha vertieft. Wir waren die ganze Zeit zusammen, nur einmal bin ich ins Bad gegangen.“ Die bemerkenswerten Augen trafen Max’ Blick. „Ich bin wirklich die Letzte, die jemandem etwas zuleide tun könnte .“
Max fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Okay“, sagte er in dem Ton eines Mannes, der eine Entscheidung gefällt hatte. „Ich glaube, Sie sollten wissen, was hier vor sich geht.“ Der Blick aus den fast schwarzen Augen versengte Sophia beinahe. „Sophie, du solltest vielleicht lieber hinausgehen.“
Sophia blieb sitzen. Max stieß sie spielerisch mit dem Fuß an – ihr Herz schlug schnell, und ihre Fingerspitzen kribbelten – , dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem anderen Paar zu. „Irgendjemand versucht, Nikitas Unternehmen zu unterhöhlen, indem er ihre Angestellten tötet, weil er an sie nicht herankommt. Im Moment sieht es so aus, als habe der Bombenleger vor vier Monaten nur mithilfe eines Insiders in den Schacht gelangen können.“
Sascha ballte die Faust. „Dann wird es wohl einen weiteren Anschlag auf ihr Leben geben?“
„Ihre Mutter“, sagte Max, „ist gewappnet und sorgt gut für ihre Sicherheit. Das frustriert den Mörder, deshalb hält er sich an die Leute in ihrer Umgebung.“ Er stieß einen Seufzer aus. „Wenn Sie noch in Kontakt mit ihr stehen, könnten Sie das nächste Ziel sein, Sascha.“
Lucas
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