Fesseln der Erinnerung
verschränkte seine Finger mit denen Saschas, seine tödliche Kraft richtete sich nun allein auf den Schutz seiner Gefährtin. „Sascha ist nicht Nikitas Erbin.“
„Aber immer noch ihre Tochter.“ Max schüttelte stur den Kopf. „Mir ist egal, ob man den Medialen nachsagt, sie könnten sich ohne lange Überlegungen von anderen trennen – wenn die Tochter einer Ratsherrin stirbt, hätte das sicher Auswirkungen.“
„Auch wenn Sie Nikita nicht beerben“, brach Sophia das daraufhin entstandene Schweigen. „Sie tragen auf jeden Fall ihr genetisches Erbe in sich, als Einzige, soweit ich weiß.“ Und im Medialnet wurde Genen eine große Bedeutung beigemessen. Ihre Gattung wurde weder von Liebe noch von Hass zusammengehalten, nur von Blut. „Sie hat doch bislang kein zweites Kind oder einen anderen Ersatz?“
„Nein“, flüsterte Sascha. „Ich verstehe auch nicht, warum.“
„Das Rudel wird meine Gefährtin schützen“, sagte Lucas zu Max. „Danke für die Warnung.“
Max verzog die Lippen zu einem schmalen Lächeln. „Danke, dass Sie mir nicht das Gesicht zerfetzt haben, bevor ich den ersten Satz draußen hatte.“
„Es ist ein solch hübsches Gesicht“, antwortete das Alphatier der Leoparden, und ein katzenhaftes Lächeln glitzerte warm in seinen Augen. „Die Frauen im Büro hätten mich wahrscheinlich erwürgt, wenn ich irgendetwas damit angestellt hätte.“
Sophia spürte, dass die Spannung nachließ, auf Max’ Gesicht zeigte sich ein amüsierter Ausdruck. „Ich dachte immer, Dorian sei der Hübscheste weit und breit.“
Diesmal antwortete Sascha. „Na, ich weiß nicht, Max.“ Sie lächelte etwas verkrampft, denn sie sorgte sich noch immer um ihre Mutter. „Sie machen ihm ernsthaft Konkurrenz. Zara meinte, sie könnte Sie wie Erdbeereis vernaschen.“
Sophia beschloss, dass diese Zara Max auf keinen Fall zu nahe kommen durfte. Der schob den Stuhl auf die ihm eigene Weise zurück und lachte auf. „Da die Regeln nun schon gebrochen wurden, habe ich eine Bitte: Falls jemand aus Ihrem Rudel eine Idee hat, wer hinter den Anschlägen stecken könnte, sagen Sie mir bitte Bescheid.“
„Wir werden das besprechen und uns bei Ihnen melden.“ Lucas’ Finger drückten Saschas Schulter, dann stand er auf.
„Sehr schön.“ Max erhob sich ebenfalls. „Clay weiß, wo ich wohne und hat meine Handynummer.“ Die Männer verabschiedeten sich per Handschlag, und Sophia warf einen letzten Blick auf die außergewöhnliche Tochter von Nikita Duncan. Das Lächeln war aus Saschas Gesicht verschwunden, sie wirkte besorgt.
„Sophie.“
Max hielt ihr die Tür auf. Sie ging mit ihm hinaus und überlegte, ob sie um ihre Eltern trauern würde, wenn diese starben. Wohl eher nicht, dachte sie. Sie hatten sie so vollkommen aus ihrem Leben gestrichen, dass sie dasselbe getan hatte, um zu überleben. Es war sehr hart gewesen, sehr, sehr hart. Zuerst hatte sie noch Briefe geschrieben. Hatte gebeten und gebettelt.
Schließlich hatte sie eine Antwort erhalten … die ihr auf brutale Weise die Ansicht ihrer Eltern deutlich gemacht hatte – in dem Schreiben hatte gestanden, sie sei nicht mehr länger eine „akzeptable Erbin der Gene“.
Ein scharfer Pfiff zerriss die Luft und drang durch den dumpfen Schmerz ihrer Erinnerungen an jenen Tag, als sie erkannt hatte, dass ihre Eltern nie zu ihr zurückkehren würden. Eine Frau mit kaffeebraunem Teint hatte den Pfiff ausgestoßen. „Man sagt, Sie seien Single, Detective.“ Ein blendendes Lächeln.
Max lächelte zurück, und wieder erschien das Grübchen auf seiner Wange. „Das stimmt nicht mehr.“
„Ich wusste ja, dass ich als alte Jungfer sterben würde.“ Das Lächeln der Frau verschwand. „Ich werde den Schmerz mit Fantasien betäuben, in denen drei – nein, besser vier – heiße Jungs mir jeden Wunsch erfüllen.“
Sophia sagte erst etwas, als sie wieder im Wagen saßen. „Ich bin … froh, dass du dich nicht mehr als Single betrachtest.“ Es kostete sie Überwindung, es laut auszusprechen, zuzugeben, wie viel ihr das bedeutete. Noch nie hatte jemand sie gewollt. Nie zuvor.
Max streckte ganz langsam die Hand aus und strich ihr über die Wange. Wie ein elektrischer Schlag durchfuhr es sie. „Was ich mit dir vorhabe, Sophie“, sagte er mit so tiefer Stimme, dass sich alles in ihr erwartungsvoll zusammenzog, „dagegen sind Zaras Fantasien nichts.“
Lucas wartete, bis Sophia Russo und Max gegangen waren, dann wandte er sich um. Er unterdrückte
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