Fesseln der Gewalt 2 (German Edition)
doch mit einem Kopfschütteln verneinte ich, denn instinktiv glaubte ich zu wissen, dass es Servan war, der mich hierhergebracht hatte.
„Nicht? Nun gut, ich lass dann mal Ihre Mutter rein, sie läuft schon seit geraumer Zeit völlig aufgelöst im Flur auf und ab. Ist das okay für Sie?“
Erneut nickte ich und wenig später stürmte meine Mutter das Zimmer. Anlässlich meines Anblickes konnte sie nur schwer ein Schluchzen unterdrücken.
„Oh Gott, Vinzent. Wer hat dir das nur angetan und weshalb?“, wisperte sie und strich mir zögernd über das Haar.
„Es ist alles soweit in Ordnung, Frau Wegmann. Wir würden Ihren Sohn allerdings gerne über Nacht zur Beobachtung hierbehalten“, erklärte der Arzt an meine Mutter gerichtet.
„Nein, ich gehe nach Hause“, wandte ich entschieden ein.
„Das kommt überhaupt nicht in Frage. Wenn die Ärzte es für angebracht halten, wirst du schön hier bleiben.“
„Mutter, wo ist Vater?“, fragte ich, ohne auf ihre Ausführungen einzugehen.
Ein Blick in ihre Augen zeigte mir, dass er nicht hier war, was mich sofort in kalten Schweiß ausbrechen ließ. Wenn Servan mich ins Spital gebracht, Oliver jedoch meine Mutter nicht hierherbegleitet hatte, konnte das womöglich bedeuten, dass mein Vater in dessen Gewalt war.
„Mutter? Ist Vater mitgekommen?“, fragte ich erneut eindringlich.
„Ich weiß nicht, wo er ist. Ich konnte ihn auf dem Handy nicht erreichen“, antwortete sie und wandte beschämt den Kopf ab.
An das Krankenhauspersonal gewandt bat ich, mit meiner Mutter einen Augenblick allein sein zu dürfen.
„Hör zu, ich kann nicht hier bleiben, weil … Vater könnte eventuell in den Händen von Servan sein!“, erklärte ich, als sich die Tür geschlossen hatte.
„Wer ist Servan? Hat er dich so zugerichtet?“
„Nein, diese Abreibung habe ich Vater zu verdanken. Anscheinend hat er Probleme damit, dass ich … schwul bin“, sagte ich und suchte im Blick meiner Mutter nach Missfallen über mein Outing.
„Du hättest ihm das vielleicht schon früher sagen sollen, Vinzent. Was jedoch seine Tat mitnichten entschuldig.“
„Du bist nicht überrascht?“, fragte ich verwirrt.
„Ach Liebling, ich wäre wohl kaum eine gute Mutter, wenn mir nicht schon längst aufgefallen wäre, dass dir Männer besser gefallen als Frauen.“
„Aber woher …“
„Als du sechzehn Jahre alt warst, hast du den halben Nachmittag damit zugebracht, den Gärtner durch das Wohnzimmerfenster anzustarren. Zudem weiß ich schon lange, dass du in diese Clubs für Homosexuelle gehst.“
„Woher denn?“ Ich war mehr als verblüfft und konnte kaum glauben, dass meine Mutter die Tatsache meiner sexuellen Neigung so einfach hinnahm.
„Na ja, weißt du, ich lasse deinen Vater schon länger von einem Privatdetektiv überwachen“, erklärte sie etwas beschämt, „Dabei habe ich auch gleich ein Auge auf dich werfen lassen. Nicht, um dich zu überprüfen, sondern um sichergehen zu können, dass er dir nichts antut.“
„Was sollte er mir denn deiner Meinung nach antun wollen? Ich habe immer getan, was er von mir verlangte. Weshalb lässt du ihn überhaupt bespitzeln? Denkst du, er hat eine andere?“
„Ha. Eine andere – oder vielmehr all die anderen – hat er schon lange. Doch darüber bin ich mehr als froh. Mir geht es um die Veruntreuung der Gelder in unserer Firma. Das Unternehmen gehört nämlich laut Ehevertrag immer noch mir, ich habe mich nur nie darum gekümmert. Herr Martens, der Chefbuchhalter, ist vor längerer Zeit auf mich zugekommen und hat mir die Geschäftsbücher vorgelegt … Es fehlen Unsummen, Vinzent. Und um deine Frage zu beantworten, was Vater dir antun könnte: Sieh dich doch jetzt an.“
„Aber …“ Mit einer Handbewegung unterbrach sie mich.
„Das ist jetzt alles nicht wichtig, erklär mir lieber, wer dieser Servan ist und was er mit euch zu schaffen hat.“
So energisch kannte ich meine Mutter gar nicht, sonst legte sie eher ein demütiges Auftreten an den Tag.
„Servan … hat mich … entführt, um sich an Vater zu rächen.“
Ich ließ meine Worte erst einmal stehen und wartete die Reaktion meiner Mutter ab, doch sie forderte mich mit einem ‚ Und weiter?‘ auf, fortzufahren.
„Offenbar war Oliver – verzeih, ich kann ihn nur noch schwer als Vater bezeichnen – zu der Zeit, als du mit mir schwanger warst, mit Servans Mutter zusammen. Er hat den damals Zwölfjährigen misshandelt und auch … missbraucht. Unzählige Male. Als er
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