Fesseln der Leidenschaft
schweigsame Tischrunde, verglichen mit den sonstigen Mahlzeiten. Walters witzige Einfälle fehlten heute besonders. Obwohl Reinas Damen leise miteinander redeten, wurden auch sie von der drückenden Atmosphäre erfaßt. Selbst die Diener benahmen sich tadellos, da sie die Spannung, die in der Luft lag, spürten.
Allerdings blieb diese Spannung zu Reinas Unglück nicht während der ganzen Mahlzeit bestehen. Die junge Frau hatte angenommen, Ranulfs Gedanken beschäftigten sich nur mit seinem Vater, doch ein kleiner Teil mußte für sie reserviert gewesen sein. Ranulf erhob sich und legte die Hand unter Reinas Ellenbogen, so daß sie auch aufstehen mußte. Und ohne ein Wort der Erklärung seinem Vater gegenüber führte er seine Frau vom Tisch weg. Da er die Richtung zur Treppe einschlug, fragte Reina in ängstlichem Flüsterton: »Was haben Sie vor?« Ihr Arm befand sich in fester Umklammerung.
»Ich brauche eine Ablenkung, Lady, ehe ich explodiere.«
Sie dachte sofort an seine wollüstige Natur und rief: »Nicht jetzt!«
»Doch, es gibt keine bessere Zeit, denn ich will nicht, daß Sie sich vor der Nacht fürchten. Oder dachten Sie, ich würde mein Versprechen vergessen?«
Versprechen? Fürchten? Himmel, er sprach von der Bestrafung, die er für angebracht hielt, nicht von Liebe. Schaurige Visionen von seinem Vorhaben begannen Reina zu plagen. Wenn er sie jetzt züchtigte, würde das eine sehr schmerzhafte Angelegenheit werden, denn er benötigte ein Ventil für den Aufruhr in seinem Inneren, den sein Vater verursacht hatte. Aber wenn Reina vorher eine Versöhnung der beiden herbeiführte, würden seine Emotionen nicht mehr so turbulent sein. Er würde Reina nicht so hart bestrafen und sie vielleicht nur kräftig schimpfen.
Sie blickte zum Tisch zurück und gab Lord Hugh ein stummes Zeichen, ihnen zu folgen. Glücklicherweise beobachtete er das Paar. Und ehe sie die Treppe erreichten, sah Reina, wie er aufstand. Doch sein Gesicht drückte Unsicherheit aus. Verflucht – erinnerte er sich möglicherweise daran, was sie zuletzt zu ihm gesagt hatte? Er war derjenige, der nicht gehen wollte, bevor er nicht mit Ranulf ins reine gekommen war. Dachte er, er würde eine bessere Gelegenheit finden, seinen Sohn allein zu sprechen?
Reina wurde die Stufen heraufgezerrt und war sich nicht mehr sicher, ob sie eine Begnadigung bewirken konnte. Ein harter Knoten bildete sich in ihrem Magen – die Angst, die Ranulf erwähnt hatte. Die junge Frau wollte nicht mit seiner Handfläche Bekanntschaft machen, wie er es ihr im Falle einer Provokation angedroht hatte – zumal diese Hand bisher immer nur zärtlich zu ihr gewesen war. Natürlich verdiente Reina irgendeine Strafe. Sie hatte Ranulf absichtlich herausgefordert und ihn gezwungen, seinen Vater zu sehen. Doch, lieber Gott, sie hatte nie geglaubt, daß er ihr das antun würde. Zu oft hatte er ihr eine Züchtigung angedroht, aber nie die Konsequenzen gezogen.
Er ließ sie nicht los, bis sie im Schlafzimmer waren, und dann nur, um die Tür zu schließen und den Riegel vorzuschieben. Reinas Entsetzen verzehnfachte sich. Ihr gesunder Menschenverstand sagte ihr, es sei schnell vorüber. Kinder konnten es ertragen, also auch sie. Verdammter gesunder Menschenverstand!
»Ranulf, können wir nicht darüber reden?«
»Nein«, sagte er kurz und bündig und ging zum Bett hinüber. Er setzte sich seitlich auf die Kante und klopfte auf den Platz neben ihm. »Lassen Sie sich hier nieder, Lady, und heben Sie Ihre Röcke.«
Reina erbleichte. »Sie wollen mich also auch demütigen?«
»Demütigung ist die Grundlage dieser Lektion. Sie werden die körperlichen Beschwerden schnell vergessen, aber an die Demütigung werden Sie noch lange denken.«
»Ich werde mich auch daran erinnern, daß Ihnen das Vergnügen bereitet hat«, fauchte sie.
»Kein bißchen, Lady. Ich mag das genausowenig wie Sie, aber Sie haben mir einmal zuviel die Stirn geboten. Kommen Sie jetzt her.« Sie blieb wie angewurzelt stehen. »Muß ich Sie vielleicht holen … «
Dann wird es schlimmer für Sie, hätte er den Satz beenden können, doch er tat es nicht. Die Warnung war deutlich genug, und Reina schenkte ihr Beachtung. Aber sie hatte noch nie so lange für so eine kurze Strecke gebraucht. Ihre Hände schwitzten. Es war nicht so sehr der schmerzende Po, den sie fürchtete, sondern der wirkungsvolle Schlag, den ihr Stolz erleiden würde …
Sie hatte Ranulf erreicht und schlang die Arme in einer verzweifelten Geste
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