Fesseln der Nacht - Feehan, C: Fesseln der Nacht - Predatory Game
beinah aus.
Der Adrenalinschub wäre ihr fast zum Verhängnis geworden. Sie rang darum, ihre körperlichen Reaktionen zu beherrschen, während sie in der Luft baumelte. Kens Schuhspitze berührte ihre Finger, als er dastand und das bewaldete Gebiet auf der anderen Seite von Calhouns Anwesen mit den Augen absuchte. Sie hing direkt unter ihm, ihr Körper verschmolz mit den Schatten der Garage, und sie betete, Mari würde ihren Ehemann nicht allzu genau im Auge behalten.
Erst als er auf die andere Seite hinüberging, gestattete sie sich einen flachen Atemzug und einen kleinen Seufzer der Erleichterung, während sie sich auf den Boden fallen ließ. Sie landete geduckt, rührte sich nicht und machte sich ganz klein, während sie die Nacht um sie herum »ertastete«. Sich unentdeckt einen Weg durch feindliche Linien zu bahnen erforderte unendliche Geduld, und im Lauf der Jahre hatte Saber zu warten gelernt.
Sie streckte sich auf dem Boden aus und überquerte das offene Gelände qualvoll langsam, wie eine Schnecke, zog sich kriechend auf ihren Ellbogen und Zehen voran, bis sie den hohen Zaun erreichte. An der höchsten Stelle kauerte sie sich hin und zählte langsam in ihrem Kopf. Das war der Moment, in dem sie besonders angreifbar war, doch da sie für die Überquerung den unwahrscheinlichsten Punkt gewählt hatte, war das Risiko, dass
jemand ausgerechnet diese Stelle in exakt diesem Augenblick aufmerksam beobachten würde, sehr gering. Aber manchmal war ein dummer Zufall der Untergang eines großartigen Attentäters.
Der höchste Punkt des Zaunes lag dort, wo das Gelände besonders offen war. Kaum jemand würde versuchen, sich hier Zutritt zu verschaffen, weil er leicht zu sehen und der Zaun mühsam zu überwinden war. Sie hatte nicht die Absicht, es zu tun. Hinter den niedrigen Sträuchern lag sie auf dem Boden und grub mühselig eine kleine Vertiefung. Unter Einsatz ihrer gesteigerten Kraft bog sie das untere Ende des Zauns ein paar Zentimeter nach oben, damit sie sich durch den Spalt winden konnte. Sie musste ihren Körper so flach wie möglich auf den Boden drücken und sich im Schneckentempo voranbewegen, um weder Kens noch Maris Blicke auf sich zu lenken. Bei ihrer Rückkehr würde sie die Erde mit Leichtigkeit wieder in die Vertiefung stoßen und den Zaun an der Stelle ein paar Zentimeter weiter nach unten biegen können, und niemand würde jemals den Verdacht schöpfen, dass sie das Grundstück verlassen hatte.
Sowie sie außerhalb des Zaunes angelangt war, schlich sie sich in den Wald und bahnte sich lautlos einen Weg. Der Mond warf kaum Licht, und das war hilfreich. Auch würde es im dichten Unterholz viel schwieriger sein, sie zu entdecken.
Sie ließ ihren eigenen Rhythmus bewusst in den Hintergrund treten und konzentrierte sich darauf, den eines anderen zu finden. Irgendwo dort draußen war jemand, der Jesses Haus beobachtete, und diese Person sandte Energien aus. In diesen Energien nahm sie eine Bedrohung wahr. Ihre übersinnlichen Fähigkeiten waren
stark ausgeprägt, wenn es darum ging, die Energien und die Aura anderer zu interpretieren. Sie konnte nicht so gut wie einige der anderen Frauen durch eine bloße Berührung Gedanken lesen, aber Gefahr konnte sie über eine Entfernung von Meilen fühlen. Während sie sich ihren Weg zwischen den Bäumen hindurch bahnte, verstärkte sich der Eindruck einer Bedrohung ganz beträchtlich.
Saber musste das Risiko einkalkulieren, dass Ken oder Mari die Anwesenheit des Eindringlings wahrnehmen und kommen würden, um der Sache nachzugehen, und das hieß, sie musste in jedem einzelnen Moment auf der Hut sein. Sie roch Zigarettenrauch und verlangsamte ihre Schritte, und als sie sich dem Wagen näherte, der direkt neben einem schmalen, unbefestigten Weg in den Büschen verborgen war, hielt sie sich dicht am Boden.
Das Fahrzeug war hinter etlichen sehr struppigen Pflanzen geparkt. Von der Straße aus war es unmöglich zu sehen und von Jesses Haus aus erst recht nicht, was bedeutete, dass derjenige, der sie beobachtete, nicht in dem Wagen sitzen konnte. Saber verharrte regungslos und wartete auf ein Geräusch, irgendetwas, was ihr sagte, wo der Beobachter seinen Posten bezogen hatte.
Der Wind änderte die Richtung ein wenig. Sie rümpfte die Nase. Zigarettenrauch und Parfum – und sie erkannte das Parfum. Chaleen .
Saber verhielt sich weiterhin ruhig, wenige Meter von dem Fahrzeug entfernt, und atmete tief ein, damit ihr Körper entspannt und ihr Ausstoß von
Weitere Kostenlose Bücher