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Fesseln der Sehnsucht

Fesseln der Sehnsucht

Titel: Fesseln der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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damit beschäftigt war, die Stoffballen wieder aufzuwickeln und ins Regal zu räumen, achtete nicht auf die neue Kundschaft; bis ihr auffiel, dass Daniel und seine Freunde seltsam still geworden waren. Sie spähte zur Tür und erhaschte einen Blick auf ein tief gebräuntes Gesicht unter der Hutkrempe, ehe sie den Blick rasch auf die Ladentheke senkte und mit zitternden Händen den letzten Ballen aufwickelte und ins Regal räumte.
    »Guten Morgen, Mr. Rayne«, grüßte Lucas Caldwell freundlich. »Ihre Bestellung ist gestern angekommen.«
    »Prima. Ich will auch meine Post abholen«, kam die Antwort im deutlichen Südstaatenakzent. Beim tiefen melodischen Klang seiner Stimme, die sie in Erinnerung behalten hatte, rieselte ihr ein seltsames Kribbeln den Rücken hinunter. Verstohlen nestelte Lucy an der Schärpe im Rücken ihres Leinenkleids und ordnete die Schleife über dem gerafften Rock, unter dem ein gestreifter Rüschenunterrock hervorlugte.
    »Lucy, siehst du bitte nach Mr. Raynes Post?«, fragte Lucas.
    »Guten Morgen, Miss Caldwell.«
    Sie zwang sich, dem Blick des Südstaatlers zu begegnen. Das belustigte Funkeln in den blaugrünen Tiefen seiner Augen verwirrte sie. Hatte er bemerkt, wie sie ihr Kleid ordnete? Dachte er, sie habe es seinetwegen getan?
    Eingebildeter Affe! »Mr. Rayne«, grüßte sie kühl und suchte mit klammen Fingern in den schmalen Fächern des Holzkastens neben der Ladentür nach seiner Post. Zwei Briefe – einer in weiblicher Handschrift – waren für ihn angekommen, die sie ihm reichte. Wieder begegnete sie seinem Blick und ihr Herz schlug schneller. Die zwei Tage, die sie miteinander verbracht hatten, waren also kein Traum gewesen. Unvermutet befand sie sich mit ihm und Daniel in einem Raum.
    »Danke, Miss Caldwell.«
    »Mr. Rayne«, rief Daniel plötzlich herüber, mit einer Verachtung in der Stimme, die Lucy ganz fremd an ihm war, »… ist unser neu zugezogener Konföderierter, Lucy.«
    »Mein Verlobter, Mr. Daniel Collier«, sagte Lucy an Heath gerichtet, der Daniel interessiert in Augenschein nahm, ehe er sich wieder ihr zuwandte.
    »Reizend«, murmelte er trocken. Lucy biss sich auf die Unterlippe, um ein Schmunzeln zu unterdrücken, da sie sich ausmalen konnte, wie er über Daniel dachte. Ihre Heiterkeit verflog schnell als Daniel sich neben sie stellte.
    »Sieh ihn dir genau an, Lucy.« Daniels Mund verzog sich spöttisch. »Du stellst mir oft Fragen über den Krieg und die Rebellen, gegen die wir gekämpft haben. Vor dir steht einer der Männer, die so viele unserer Freunde verwundet und getötet haben und junge Burschen wie Johnny Sheffield in stinkende Gefängnisse gesperrt haben, bis sie elend zugrunde gingen.«
    »Daniel!« Lucy blickte in heller Bestürzung zu ihm auf. Das konnte doch nicht ihr höflicher, friedfertiger Daniel sein, der jedem Streit aus dem Weg ging. Der sanfte Glanz war aus seinen braunen Augen gewichen, die nun kalt und hasserfüllt funkelten. Erschrocken wich sie einen Schritt zurück.
    »Ungewöhnlich, dass ein Südstaatler sich die Mühe macht, eine Bestellung persönlich abzuholen«, schnarrte Daniel und funkelte Heath feindselig an. »Wieso lassen Sie die Besorgungen nicht von einem Negersklaven machen?«
    »Weil ich nie viel von Sklaverei gehalten habe«, entgegnete Heath gelassen.
    Zwei der Männer, die um den Kachelofen saßen, standen auf. »Das sagen Sie jetzt«, meinte einer anklagend, »und doch haben Sie für die Sklaverei gekämpft. Die Rebellen haben die Sklaverei verteidigt und tausende tapferer Männer abgeschlachtet, um sie beizubehalten.«
    »Ich hatte andere Gründe, um in den Krieg zu ziehen.« Heath’ schleppender Akzent stand in starkem Kontrast zur schnellen, spitzen Sprechweise des Nordostens. »In erster Linie hatte ich etwas dagegen, dass mir Yankees vorschreiben wollten, was ich zu tun habe, obwohl sie keine blasse Ahnung hatten …
    »Lucy, sei so freundlich und zeig Mr. Rayne im Keller das Regal, wo das Paket mit der Glasscheibe steht, die er bestellt hat«, meldete Lucas Caldwell sich zu Wort. Weder in seiner Stimme noch seiner strengen Miene ließ er einen Zweifel daran, dass er die anwesenden Männer zurechtweisen würde. Lucas war ein angesehener Bürger von Concord und duldete keinen Streit in seinem Geschäft. Lucy nickte zustimmend. »Ich will nicht, dass Lucy mit einem Rebellen irgendwo hingeht«, wandte Daniel an.
    »Ich bin sicher, meine Tochter hat nichts zu befürchten. Hab ich Recht,

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