Fesseln der Sünde
unablässigen Sehnsucht ertragen?
»Was hast du dort gegessen?« Sie sprach ein ganz neutrales Thema an. Würde sie ihre Jahre damit verbringen, belanglose Konversation mit dem Mann, den sie geheiratet hatte, zu betreiben? Die kalte, traurige Zukunft breitete sich wie eine endlose Steppe vor ihr aus.
Er zuckte die Schultern, seine Finger spielten mit dem Stiel des Glases. Er trug immer noch Handschuhe. »Currys. Köstlichkeiten, die einem Maharadscha angemessen waren. Kalten Reis mit Rüsselkäfern.«
Schmerzhafte Erinnerungen, von denen sie wusste, dass sie sie nie verstehen würde, zogen wie ein dunkler Schatten über sein Gesicht. Bevor sie weitere Fragen stellen konnte, hob er sein Glas. »Ich bin nachlässig bei meinen Pflichten als Ehemann. Auf meine wundervolle Braut.«
Das war mehr, als sie ertragen konnte. Sie schob ihren Teller von sich und richtete sich taumelnd auf. »Lass das.«
Er stellte das Champagnerglas ab, das wie sein Abendessen unberührt blieb. »Auch mein Appetit ist nicht sonderlich groß.« Er stand auf. »Ich mache einen Spaziergang. Auf dich wartet ein Bad. Aber keine Eile. Ich werde mehrere Stunden fort sein.«
Er brauchte wohl etwas Privatsphäre, um seine Kräfte für die schwere Aufgabe, die ihm bevorstand, zu sammeln, vermutete sie. Der Gedanke versetzte ihr einen weiteren Stich ins Herz. »Dann wünsche ich dir viel Spaß«, erwiderte sie tonlos.
Er neigte den Kopf zu einem höflichen Gruß. »Vielen Dank.«
Erst als er gegangen war, bemerkte sie, dass er sie zum ersten Mal ohne Schutz zurückgelassen hatte, seit sie sich begegnet waren.
12
Gideon riss sich zusammen, bis er die Tür hinter sich zugezogen hatte und in dem menschenleeren Flur stand, wo er an die Wand gelehnt keuchend zusammenbrach. Schauer brandeten in ihm hoch wie Wellen am Strand von Penrhyn.
Er konnte das nicht durchziehen.
Er musste das durchziehen.
Er schloss die Augen und schlug mit dem Kopf mehrere Male gegen das Holz. Doch nichts konnte die mächtigen Bilder aus seinem Kopf vertreiben.
Charis, wie sie ihn über den Tisch hinweg anschaut, ihre wunderschönen, haselnussbraunen Augen, die vor Angst und einer Sehnsucht leuchten, die er teilt, aber nicht erfüllen kann.
Charis, wie sie neben ihm steht und die Worte sagt, die sie zu seiner Frau machen.
Charis, wie sie ihm sagt, dass sie ihn liebt.
O Gott, welch verbotener, süßer Moment.
Und die Verzweiflung.
Sie war so mutig. Was für eine Gefährtin wäre sie für den Mann, der ihrer würdig war.
Verflucht, er könnte nie dieser Mann sein.
Seine Zurückweisung war vielleicht jetzt für sie schmerzhaft, doch würde sie über ihre Verliebtheit hinwegkommen. Sie würde aus dieser Sache stärker, schöner, leuchtend wie ein Stern am Himmel hervorgehen. Die wahre Tragödie war, dass sie sich so unwiderruflich an ein Wrack wie ihn gebunden hatte.
Er stöhnte durch seine zusammengebissenen Zähne auf. Er hatte unsäglichen Schmerz in Indien erlitten. Doch er wusste bereits jetzt, dass die teuflischen Qualen, die der Nawab sich für ihn ausgedacht hatte, von der Hölle, durch die er gehen müsste, wenn seine Frau sich in einen anderen Mann verliebte, noch übertroffen werden würden.
Aber er müsste es ertragen.
Verflucht.
Die Götter lachten bestimmt schon über ihn und seine Leiden. Sie vergönnten ihm die einzige Frau, mit der er den Rest seiner Tage verbringen wollte, um ihm dann das Recht auf Freude mit ihr zu verwehren.
Er begehrte sie zutiefst. Seine ganze Haut sehnte sich nach ihrer Berührung. Er würde sein Leben geben für eine Nacht in ihren Armen, befreit von seinem Leiden. Doch stattdessen war er im Begriff, ihr mit seiner Unbeholfenheit wehzutun.
Nein, bei Gott, das würde er nicht, sofern es ihm möglich war.
Grimmig und entschlossen stieß er sich von der Wand ab. Er schlug den Mantelkragen hoch und zog sich den Hut ins Gesicht, um es zu verbergen.
Er würde tun, was notwendig war. Was immer es auch koste. Sein Plan mochte vielleicht verrückt und gefährlich sein, doch war er der einzige Ausweg. Er würde jeden Schmerz hinnehmen, wenn Charis dadurch Leid erspart bliebe.
Er machte sich über das Ausmaß des Schmerzes, den dieser Plan barg, nichts vor.
Während er sich die Treppen hinunterschleppte, um auf die Straße zu gelangen, wurde sein Herz schwer. Es war kalt an der Küste. Die Brise vom Meer war eisig. Vielleicht stammte die Kälte aber auch von seiner betrübten Seele.
Er wusste, wo das zu finden war, was er
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