Fesseln des Herzens
Kerkertür aufgerissen.
»Ist alles in Ordnung, Mylady?«, fragte der Wächter, der sie begleitet hatte.
»Ja, alles bestens«, entgegnete Nicole und wandte sich um, ohne noch einmal nach dem Gefangenen zu sehen.
Aimee nutzte den Schlaf des Barons, um endlich wieder ein Bad zu nehmen.
In den vergangenen Tagen war sie nicht dazu gekommen, zum einen, weil sie damit zu tun gehabt hatte, den Baron zu heilen, zum anderen, weil sie sich nicht entblößen wollte, während St. James da war.
Nun war er fort, um eine Arznei zu besorgen, und sie konnte sich ungestört ihrem Vergnügen hingeben.
Die Luft war frisch und roch nach bevorstehendem Regen, der See war von einem Teppich aus Seerosen bedeckt.
Aimee entledigte sich ihrer Kleider und blickte hinauf zum Mond, der als schmale Sichel am Himmel stand. Gleich darauf tauchte sie ein in das kühle Nass, das ihr für einen kurzen Moment den Atem nahm. Mit kräftigen Zügen schwamm sie bis zur Mitte des Sees, wo laut den Geschichten der Alten ein Wassermann auf die Umarmung einer schönen Frau wartete.
Als Ravencroft die Augen öffnete, spürte er, dass Aimee nicht mehr da war. Er starrte in den verschwommenen Fleck Mondlicht, der nicht ausreichte, um das Turmzimmer vollständig zu erhellen, und richtete dann den Blick auf das Feuer, das nur noch schwach glomm. Nein, sie war wirklich nicht hier. Hatte sie sich vielleicht nach draußen begeben?
Eigentlich hatte sie ihn geheißen zu schlafen, doch auf einmal packte ihn das Verlangen, sie zu sehen. Er erhob sich von seinem Lager und stieg die Treppe hinunter.
Obwohl die Wunde sich vor gut einer Woche geschlossen hatte, plagten ihn noch immer leichte Schmerzen, aber es war nicht so schlimm, dass er sich nicht auf die Suche nach Aimee hätte machen können.
Ravencroft stieg die Treppe hinunter und verließ den Turm, doch auch auf der Bank neben der Tür war die Schäferin nicht. Dafür vernahm er aus der Ferne ein leises Plätschern.
Das Geräusch, obgleich es auch von Enten auf dem See hätte stammen können, erregte seine Neugierde, und so folgte er ihm.
Am Westufer des Grünen Sees angekommen, musste Ravencroft mit Erstaunen feststellen, dass jemand in ruhigen Zügen durchs Wasser schwamm.
Kein Zweifel, es war Aimee.
Obwohl das Mondlicht schwach war, konnte er ihre Gestalt klar und deutlich erkennen. George of Ravencroft verweilte einen Augenblick lang bei diesem Anblick und spürte, wie sein Begehren beständig wuchs.
Aimee schwamm mit langen Zügen durch den See, kehrte aber schon bald zurück, als die Seerosen ihr den Weg versperrten.
Der Baron verbarg sich hinter einem Baum und wartete, bis sie wieder aus dem Wasser stieg.
Im spärlichen Schein des Mondlichts tauchte ihr Leib aus den grünen Fluten auf. Aimee wischte sich das Wasser aus dem Gesicht und strebte dem Ufer entgegen.
Der Baron drückte sich in den Schatten des Baumes, und seine Gefühle übermannten ihn so hart, dass er den Stamm umklammern musste, um Halt zu finden.
Wassertropfen glitzerten auf der Haut der Schäferin und rannen an ihrem Bauch und ihren Schenkeln hinab. Damit es nicht nass wurde, hatte sie ihr langes Haar aufgesteckt, jetzt aber löste sie die Nadel, die es zusammenhielt. Die hellen Locken ergossen sich wie eine Flut aus Seide über ihre Schultern, den Rücken und ihre glänzenden Brüste. Da sie meinte, unbeobachtet zu sein, streckte sie sich, schob das Haar nach hinten und bog den Rücken leicht durch.
Der Baron konnte nicht anders, als sein glühendes Gesicht gegen die rauhe, wenngleich kühle Rinde des Baumes zu legen und die Augen zu schließen. Überkam ihn erneut das Fieber? Immerhin war er noch nicht ganz genesen.
Nein, es konnte unmöglich das Fieber sein, das seine Wunde verursachte. Es war das Fieber des Begehrens.
Als er wieder aufsah, hatte die Schäferin ihr Hemd übergestreift, das ihre Schultern jedoch nur spärlich bedeckte.
Nun trat er aus dem Schatten.
»Mylord, Ihr seid wach?«, fragte Aimee und wich einen Schritt zurück.
Das Hemd blieb an ihrer noch nassen Haut kleben und zeichnete ihre Konturen nach.
Ravencroft konnte nicht anders, als sie anstarren. »Sag mir, warum Gott manche Frauen mit solch unwiderstehlicher Schönheit ausstattet, dass jeder Mann, der sie auch nur ansieht, ihnen mit Haut und Haaren verfällt.«
Aimee erschauderte, und das nicht nur wegen des Abendwindes und des klammen Hemdes. Der Blick des Barons brachte ihr Innerstes zum Glühen und ließ sie zittern.
»Wie lange
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