Fesseln des Herzens
umschlangen und schließlich zu einem untrennbaren Ganzen verschmolzen.
Als der Mond zum Fenster hereinschien, schmiegten sie sich gesättigt aneinander. Während Aimee schon bald entschlummerte, lag George noch immer wach und blickte auf das Licht, das durch die Fenster des Turmes fiel.
Seine Hand spielte gedankenverloren mit einer ihrer roten Strähnen, und als er sich schließlich erhob und sich über sie beugte, um sie zu küssen, dachte er: Wie habe ich bisher nur ohne dieses Weib leben können …
Henry Fellows verharrte still neben dem Baumstamm, den Blick starr auf den Turm gerichtet. Eigentlich hatte er versuchen wollen, den Baron zu töten, doch nun, inspiriert von den Lauten, die an sein Ohr drangen, kam ihm ein weitaus besserer Gedanke.
Er war die ganze Zeit über so sehr mit Nicole und der Durchführung ihres Plans beschäftigt gewesen, dass er nicht mitbekommen hatte, was hier gespielt wurde. Nun wusste er es.
Auch der Baron legte offenbar keinen Wert mehr darauf, das Lager mit seiner Gemahlin zu teilen, denn er hatte eine andere Gespielin gefunden: Aimee.
Zwar hatten in der Burg Gerüchte die Runde gemacht, und er wusste auch von Nicoles Wunsch, aber die Schäferin hatte es verstanden, sich die ganze Zeit über tugendhaft zu geben, weshalb niemand ihr eine Liaison mit dem Baron unterstellen konnte.
Doch nun sah oder vielmehr hörte Fellows die Wahrheit, und es erfüllte ihn beinahe mit ein wenig Neid, die Leidenschaft der beiden zu vernehmen.
Dann sah er ein, dass ihm die Liebe zwischen dem Baron und der Schäferin neue Möglichkeiten eröffnete. Er brauchte seinen Herrn nicht eigenhändig zu töten, wie es Woodward verlangt hatte. Und er brauchte auch Nicoles Kind nicht in Gefahr zu bringen.
Indem er seine Sehnsucht nach Liebe stillte, machte sich Ravencroft verletzbar.
Als erfahrener Krieger wusste Henry, dass es seinen Herrn treffen würde, wenn das Leben seiner Geliebten in Gefahr war. Vielleicht würde sich Woodward auf den Einfall einlassen, der ihm gerade eben gekommen war.
Noch einen Moment verharrte der Hauptmann neben dem Baum, dann schwang er sich auf sein Pferd und ritt zurück nach Ravencroft.
Kurz vor dem Schließen der Tore preschte er auf den Hof. Eigentlich hatte er vorgehabt, direkt zur Baronin zu gehen, doch seine Kameraden vereitelten das Vorhaben. Sie hatten sich auf dem Hof vor einer Feuerstelle zusammengefunden und brannten auf Nachrichten von ihrem Herrn.
Henry berichtete ihnen, wie rührend sich Aimee um den Baron kümmerte und dass Ravencroft endlich wieder auf dem Wege der Besserung war.
Im Stillen fiel es ihm schwer, sich ein breites Lächeln zu verkneifen. Was würden sie wohl von ihrem geliebten Herrn denken, wenn ich ihnen erzählen würde, dass er es kurz zuvor mit der Schäferin getrieben hat?
»Ihr wart ziemlich lange fort, Hauptmann«, mischte sich schließlich eine Stimme zwischen die Fragen. »Habt Ihr vor dem Besuch beim Baron noch einen kleinen Abstecher gemacht?«
Die Frage kam von St. James, der wieder in der Burg weilte. Bei seinem Anblick fuhr es Henry siedend heiß durch die Glieder. Wie hatte er den Soldaten nur vergessen können! Immerhin war er ständig bei Aimee geblieben und wusste, dass er sich nicht am Turm hatte blicken lassen.
»Ich habe noch einmal nach meinem Vater gesehen«, antwortete der Hauptmann schnell, während er versuchte, dem Blick des Soldaten zu widerstehen. »Danach war ich beim Baron, und ich habe mich schon gewundert, dass du nicht da warst.«
»Ich sollte eine Arznei von unserem Medikus holen«, erklärte er. »Und ein wenig Proviant. Leider dauert die Zubereitung des Mittels noch ein wenig.«
»Der Baron wird sich gewiss freuen, wenn er es erhält«, gab Henry zurück und hoffte, dass der Feuerschein nicht zu sehr in den Schweißperlen glitzerte, die ihm auf die Stirn traten. »Aber jetzt genug geplaudert. Ich muss der Baronin eine wichtige Nachricht von ihrem Gemahl überbringen.«
Diese Worte quittierten seine Kameraden mit einem bedauernden Seufzen, doch Henry versprach ihnen, danach gleich wieder zu ihnen zu kommen.
Beim Gehen sah er noch einmal zu St. James hinüber, der ihn mit undurchdringlichem Blick musterte.
Nicole schreckte aus ihrem Schlummer hoch, als sie das Klopfen an der Tür vernahm.
Fünf Tage wartete sie nun schon auf Henrys Rückkehr. Die Ungeduld marterte sie, außerdem rechnete sie jeden Tag mit der Rückkehr ihres Gemahls, was sie noch viel mehr zermürbte. In diesem Augenblick
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