Fesseln des Herzens
ein ganz anderes Licht.
Nun sprang er ebenfalls auf und folgte seiner Gemahlin, deren Schleier er gerade noch in der staunenden Menge ausmachen konnte. Das Getuschel der Leute rauschte um ihn herum wie die Meeresbrandung, und er würde wie der Sturm über sie hinwegfegen.
Nicole war sich der Tatsache bewusst, dass sie hätte fliegen müssen, um ihrem Gemahl zu entkommen. Sobald sie den Blicken der Leute entschwunden war, rannte sie, so schnell sie konnte, aber nur wenig später vernahm sie die Schritte des Barons hinter sich.
Die Wachposten, an denen sie vorüberhastete, blickten unbeteiligt durch sie hindurch, doch insgeheim wünschte sie sich, dass einer von ihnen den Mut hätte, mit seiner Hellebarde die Brust des Barons zu durchstoßen. Darauf brauchte sie allerdings nicht zu zählen. Als sie ihre Kemenate erreichte, war er direkt hinter ihr. Bevor sie die Tür schließen konnte, stieß er sie mit voller Wucht wieder auf, so dass Nicole hart gegen die Wand krachte. Das Geräusch echote durch die gesamte Burg.
»Was wird hier gespielt?«, fragte er, nachdem er die Tür hinter sich zugestoßen hatte.
Nicole war derweil ans Fenster geflüchtet, obwohl sie wusste, dass sie ihrem Gemahl nicht entkommen würde. Tatsächlich war der Baron im nächsten Augenblick bei ihr.
»Wo ist Fellows?«, fuhr er sie an und ergriff unvermittelt ihr Handgelenk.
Nicole stöhnte auf. »Warum tut Ihr mir weh?«
»Oh, ich habe noch nicht mal angefangen, dir weh zu tun. Was ist während meiner Abwesenheit hier vorgegangen?«
Die Baronin bedachte ihren Gemahl mit einem hasserfüllten Blick. »Ich habe keine Ahnung, wovon Ihr sprecht! Ich habe Fellows erlaubt, erneut zu seinem Vater zu reiten. Was dort vorgefallen ist, weiß ich nicht.«
»Und du fragst es dich auch nicht? Dass mein Leibwächter sich ungebührlich lange von seinem Posten fernhält, sehe ich als groben Ungehorsam an!«
Ravencroft blickte ihr noch einen Moment lang in die Augen, dann ließ er ihren Arm wieder los.
»Was ist mit der Beschuldigung des Gefangenen?«
»Es ist eine Lüge!«, kreischte Nicole panisch. »Ich habe niemals …«
»Schweig!«, herrschte der Baron sie an und näherte sich ihr nun wieder drohend. »Gnade dir Gott, Weib, wenn du hinter meinem Rücken ein falsches Spiel treibst!«, polterte er los. »Glaubst du denn, ich hätte keine Augen im Kopf? Treibst du es mit meinem Hauptmann, wie Woodwards Mann behauptet hat? Du, die Angst hat, ein Kind von mir zu empfangen?«
»Mylord!«, wandte Nicole ein, doch Ravencroft ließ sich nicht ablenken und drückte noch fester zu.
»Wer weiß, vielleicht trägst du seinen Bastard schon längst unter dem Herzen! Hast du etwa gedacht, du könntest mir das Kind unterschieben?«
Nicoles Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Wenn es mir an den Kragen geht, so soll die Schäferin auch kein Glück haben!, dachte sie zu allem entschlossen.
»Keine Sorge, Mylord, dank Aimee wird das nicht der Fall sein. Sie hat mir einen Trank gegeben, der mich unfruchtbar macht.«
Der Baron zog die Augenbrauen hoch. Meinte sie damit, dass die Hebamme von dem Betrug gewusst hatte?
Das konnte er nicht glauben.
»Lüg mich nicht an!«
Nicole zuckte zusammen, als seine Hand drohend an seinen Schwertgriff schnellte. Mit hasserfülltem Blick wich sie zurück.
Ravencroft zügelte sich allerdings im nächsten Augenblick. »Saint James!«, brüllte er nun. Fellows’ Stellvertreter erschien unverzüglich mit ein paar seiner Männer in der Tür.
»Mylord?«
»Gib deinen Männern den Befehl, Fellows’ Unterkunft zu durchsuchen! Und dann kümmere dich bitte um meine Gemahlin. Stell eine Wache vor der Tür auf und sorge dafür, dass sie die Räume unter keinen Umständen verlässt.«
»Meint Ihr, es wird etwas ändern, wenn Ihr mich einsperrt?«, kreischte Nicole, während die Wächter sie in ihre Mitte nahmen. »Eure kleine Hure und Ihr, ihr seid verloren! Ihr werdet sehen, lange seid Ihr nicht mehr der Baron of Ravencroft.«
Sie drohte und fluchte noch weiter, aber die Soldaten zerrten sie aus dem Raum, und irgendwann konnte Ravencroft ihre Stimme nicht mehr vernehmen.
Der Zorn kochte in ihm. Verdammtes Weibsstück, wieso habe ich mich nur von dir täuschen lassen!, tobte es ihm durch den Sinn. Dann wurde dieser Gedanke von der Drohung verdrängt, die Nicole ausgestoßen hatte. Deine Hure und du …
Wusste sie etwa, dass er mit Aimee das Lager geteilt hatte, oder war das nur eine Vermutung?
Unruhe überkam ihn.
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