Fesseln des Herzens
fragte er, als er vor sie trat.
»Ja, Mylord, und ich freue mich, dass sie so gut gedeiht.«
Die Schäferin wollte zu einem Knicks ansetzen, doch der Baron bedeutete ihr, dass es nicht nötig sei.
Im nächsten Augenblick fand sie sich in seinen Armen wieder.
»Mylord, wenn uns jemand sieht …«, setzte Aimee an.
Ravencroft schüttelte lächelnd den Kopf. »Wer sollte uns schon sehen? Und selbst wenn, es wäre mir egal. Ich bin der Herr über diese Ländereien hier. Niemand wird mir die Frau, die ich begehre, aus den Armen reißen.«
Wenn Aimee ehrlich war, war dies seit einigen Tagen ihr geheimer Wunsch. Aber der Mann, den sie begehrte, war immer noch der Gemahl der Baronin und die Ehe ein heiliges Sakrament.
»Bitte, lasst mich gehen«, flehte sie, allerdings klang ihre Stimme nicht so fest, wie sie es gern gehabt hätte. Die Nähe seines Körpers, die Wärme und der Geruch seines Haars erregten sie.
Er bemerkte dies und umklammerte sie nur umso fester. »Ich glaube, ich schulde dir noch einen Dank, Aimee«, flüsterte er, und weil sein Gesicht das ihre beinahe berührte, strichen die Worte im sanften Hauch seines Atems über ihre Lippen. »Immerhin hast du meine Tochter gerettet.«
»Dafür habt Ihr Euch doch schon so oft bedankt, Mylord.«
»Aber nicht so, wie ich es gern getan hätte«, gab er zurück, und während er ihr tief in die Augen blickte, meinte er wieder zu spüren, was er damals bei seinem ersten Weib empfunden hatte. Diese Frau war so wunderschön, dass er es kaum fassen konnte, sie nicht eher entdeckt zu haben.
»An welche Belohnung dachtet Ihr da?« Die Stimme der Schäferin zitterte voller Vorahnung.
Als Aimee glaubte, in der Nähe die Mägde zu hören, wandte sie den Blick zur Seite. Es war gut möglich, dass die Mädchen Wäsche auf den Bleichplatz brachten, und dazu mussten sie den Garten durchqueren.
In dem Moment, als Aimee George of Ravencroft wieder ansah, beugte er sich kurzerhand vor und küsste sie.
Für einen Augenblick versuchte sie noch, ihm zu widerstehen, doch als er ihre Lippen öffnete und seine Zunge mit der ihren zu spielen begann, war es um sie geschehen. Mit beiden Händen, die sie so lange gegen seine Schultern gedrückt hatte, umfasste sie sanft seinen Hals und ergab sich mit einem wonnigen Seufzen in seine Berührung.
Wie lange die beiden so verharrten, wussten sie nicht, denn die Zeit schien unter ihren Liebkosungen bedeutungslos zu werden. Als sie ihre Lippen voneinander lösten, um Atem zu schöpfen, trafen sich ihre Blicke.
Ravencroft erkannte Aimees Begehren in ihren Augen, doch er wusste, dass dies nicht der richtige Ort war, sie zu lieben.
In seinem Waffensaal warteten ein paar Gesandte aus Schottland, die er am Morgen empfangen hatte und die mit ihm über König Eduard und seine vermeintlichen Eroberungspläne reden wollten. Er hatte sich lediglich davongestohlen, um ein wenig Luft zu schnappen, da war ihm hier im Burggarten Aimee begegnet.
Der Baron war nicht auf schnelle Befriedigung aus, vielmehr wollte er dieser wunderbaren Frau die ganze Nacht über die köstlichsten Wonnen bescheren. Also ließ er sie wieder los, wenn auch widerstrebend.
»Noch nicht«, flüsterte er ihr zu, küsste sie noch einmal und verschwand.
Aimee blieb allein zurück. Sie fühlte sich, als sei ihr ein wertvoller Teil ihres Körpers entrissen worden. Während sie Ravencroft nachsah, tauchten die Mägde mit ihrer Wäsche auf. Sie riefen ihr etwas zu, winkten heftig, und Aimee erwachte aus ihrer verträumten Starre. Sie erwiderte die Geste, und während die Mädchen an ihr vorbeiliefen, blickte sie noch einmal auf die Rose. Wie deren zartrosa Knospen aufbrachen, Stück um Stück ihr Innerstes preisgebend, so fühlte sie ihre Sehnsucht erblühen. Eine verbotene Sehnsucht, aber eine, die sie sich nicht länger versagen konnte.
Auf dem Weg zurück in die Burg traf Aimee auf Henry. Er war dermaßen in seine Gedanken versunken, dass er beinahe mit ihr zusammengestoßen wäre.
Als die Schäferin mit einem kurzen Aufschrei zurückwich, schreckte er auf.
»Oh, verzeih, ich habe dich nicht kommen gehört.«
Aimee atmete tief durch. »Ist ja nichts passiert.«
Der Leibwächter wollte schon weitereilen, doch sie hielt ihn zurück.
»Ihr wirkt bekümmert, Henry, ist mit Eurem Vater wirklich alles in Ordnung?«
Prüfend blickte ihm Aimee ins Gesicht. Da war noch immer etwas Unstetes, Gehetztes in seinen Augen. Seit dem Morgen schien es nur noch schlimmer geworden zu
Weitere Kostenlose Bücher