Fesseln des Schicksals (German Edition)
die Ebene, die sich zu ihren Füßen ausbreitete, als sie die drei Reiter entdeckte. Sie kamen im Schritttempo hinter einer Baumgruppe hervor, und man konnte den Widerhall ihrer Stimmen hören, den der Wind zu ihr trug. Die Reiter waren zu weit weg, als dass Charlotte ihre Gesichter hätte sehen können, aber sie erkannte ihre Pferde.
Vorneweg ging der Braune mit den weißen Hinterbeinen, der ihrem Cousin Orante gehörte. Dicht nach ihm kam Paul Sebastian, Rebeccas Bruder, auf Falcon. Der letzte Reiter saß auf einem Tier mit grauem Fell, das Charlotte noch nie zuvor gesehen hatte. Aber es war gar nicht nötig, Pferd oder Reiter zu erkennen. So wie ihr das Herz in der Brust schlug, konnte es nur Richard sein.
Paul entdeckte als Erster die Gestalt auf dem Hügel und hielt an. «Eine Frau», sagte er.
«Und sie ist nicht in Begleitung», präzisierte Richard, der vergeblich versuchte zu erspähen, wer sich in der Ferne vor der Sonne abzeichnete.
«Und ich würde sagen, dass sie uns mit großem Interesse beobachtet», fügte Orante hinzu. Die Hand schützend über die Augen gehalten, starrte er zum Hügel hinauf.
Einen Moment lang blieben die drei Männer unbeweglich stehen und fragten sich, wer die geheimnisvolle Dame auf dem Hügel wohl sein könnte. Dann unterbrach Paul die Stille. «Wollt ihr den ganzen Morgen lang nur diese Frau anstarren, oder seid ihr bereit für ein kleines Wettrennen zur alten Eiche?»
«Alles klar. Der Letzte gibt eine Runde aus.»
«Wie du willst, Orante, aber du glaubst doch wohl nicht, dass du gegen zwei Männer der Marine ankommst?»
«Das werden wir ja sehen, Richard.»
Die drei stellten sich in geringem Abstand nebeneinander auf dem Weg auf. Orante hob den Arm und sah nach rechts und links, um zu überprüfen, ob seine Freunde bereit waren.
«Vorwärts!», rief er dann, als er den Arm zum Startsignal hinunterriss. Der Klang seiner Stimme hallte durch die kühle, klare Morgenluft.
Charlotte hatte deutlich gesehen, was die drei vorhatten, und erriet auch sofort, wohin das Rennen führen sollte. Die Eiche war ein idealer Zielpunkt, und die Richtung, die die Reiter eingeschlagen hatten, bestätigte ihre Annahme. Der einsam stehende Baum erhob sich auf dem Gipfel einer sanft ansteigenden Anhöhe, etwa eine halbe Meile entfernt.
Energisch packte Charlotte die Zügel und gab ihrem Pferd die Sporen.
Orante, Paul und Richard kämpften darum, sich an die Spitze zu setzen, nahmen aber trotzdem wahr, dass die Frau den Hügel hinuntergaloppiert kam. Offensichtlich wollte sie auch an dem Rennen teilnehmen.
Als Richard die letzten fünfhundert Meter in Angriff nahm, waren Paul und Orante weit abgeschlagen. Nur die geheimnisvolle Unbekannte lag noch vor ihm, mit etwa zehn Pferdelängen Vorsprung. Es war, als flöge sie im Wind. Richard war vollkommen hingerissen vom ungewöhnlichen Anblick dieser jungen Frau, die ihm vorkam wie eine Naturgewalt.
Je mehr er von ihr sah, desto mehr wünschte er sich, sie einzuholen, und spornte sein Pferd an, noch schneller zu laufen. Auf der halben Anhöhe hatte er sie fast eingeholt, aber die Lady ritt, als wäre der Teufel hinter ihr her.
Charlottes Pferd keuchte und griff nicht mehr ganz so weit aus. Das letzte und steilste Stück des Aufstiegs hatte begonnen, bis zur Eiche waren es keine fünfzig Meter mehr. Niemand war vor ihr, und Charlotte spürte eine unbändige Kraft in sich. Sie würde siegen. Nur noch ein umgestürzter Baumstamm, der quer über dem Weg lag, trennte sie vom Ziel. Sie gab ihrem Pferd die Sporen und setzte zum Sprung über das Hindernis an. In diesem Moment tauchte Richards Grauer zu ihrer Rechten auf und sprang ebenfalls. Als sie gleichzeitig wieder auf dem Gras aufsetzten, trafen sich ihre Blicke. Lächelnd überholte er sie jetzt.
Neben der Eiche stoppte Richard abrupt. Er saß ab und ging Charlotte entgegen. Noch etwas außer Atem gratulierte er ihr.
«Sie haben ein gutes Rennen geliefert.»
«Danke. Das gilt auch für Sie.»
«Erlauben Sie.» Mit einem wunderschönen Lächeln streckte er seine Arme aus, um ihr beim Absteigen zu helfen.
Charlotte legte Richard die Hände auf die Schultern und wartete, dass er sie um die Taille fasste. Mühelos hob er sie hoch und setzte sie langsam auf dem Boden ab. Dabei konnte er den Blick nicht von ihr wenden. Charlotte war, als würde sie in das Blau des Himmels tauchen, das sich in seiner grauen Iris spiegelte. Und auch Richard spürte, wie jene schönen grünen Augen ihn gefangen
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