Fesseln des Schicksals (German Edition)
etwas Tee einschenken wollte, bedeutete Camille ihr mit einer zarten Handbewegung, dass sie nichts wollte.
«Laura, es tut mir so leid, aber ich werde nicht lange bleiben können. Ich muss sofort nach Richmond. Ich wollte nur vorbeikommen, um euch die Nachricht selbst zu überbringen.»
«Und darf man wissen, was so wichtig ist, dass du es so eilig hast?»
«Ihr werdet es nicht glauben.»
«Bitte, sag es uns doch», bettelte Charlotte und ahmte dabei Camilles kindische Art nach.
Hortensia warf ihrer Schwester einen tadelnden Blick zu. Charlotte sah zwar durchaus ein, dass sie unhöflich war, aber diese Frau war wirklich zu albern. Und es machte sie wahnsinnig, dass Camille nicht einmal versuchte, ihr Interesse für Richard zu verbergen. Aber jetzt war alles anders. Richard hatte sie geküsst und würde in ein paar Tagen um ihre Hand anhalten.
Camille atmete tief ein und sah ihre Freundinnen an.
«Ich heirate!», verkündete sie begeistert.
Die fünf sahen sich überrascht an.
«Ich weiß, dass es etwas überraschend kommt, aber die Zeremonie wird schon in zwei Wochen auf Delow stattfinden.»
«Auf Delow?», fragte Charlotte, die im ersten Moment nicht begriff, warum Camille auf der Plantage von Richards Familie heiraten sollte. Aber die Röte in Camilles Gesicht, ihr verzücktes Lächeln … Ganz langsam verstand Charlotte, was das alles zu bedeuten hatte.
«Das ist gar nicht ungewöhnlich. Richards Familie hat seit Generationen auf Delow geheiratet.»
Charlotte stockte der Atem. Sie fühlte sich nahe daran, das Bewusstsein zu verlieren. Vielleicht hatte sie sich einfach verhört. Aber Laura nahm ihr nun jeden Zweifel.
«Camille Carson, du wirst Richard Reemick heiraten!», rief Laura und ließ einen Freudenschrei hören, als sie sah, wie Camille schüchtern nickte. Dann umarmte Laura Camille und sah Charlotte triumphierend an. Nicht im Traum hätte sie gedacht, so schnell ihre Rache zu bekommen.
«Glückwünsche», flüsterte Rebecca beeindruckt.
Unter dem Tisch griff Hortensia nach Charlottes Hand. Richard würde Camille heiraten.
«Wir wussten nicht …», setzte Hortensia an, fand aber keine weiteren Worte.
«Nun ja, ich auch nicht», gestand die glückliche Braut. «Ich habe wohl etwas geahnt», sagte sie, zu Charlotte gewandt. «Aber ich hätte nie gedacht, dass er so verliebt ist. Heute Morgen ist er nach Silver Bridge gekommen und bat um meine Hand. Richard war sich bewusst, dass seine Bitte etwas plötzlich kam, aber er gestand meinem Vater, dass er den Rest seines Lebens mit mir verbringen wolle und sich wünsche, so bald wie möglich Hochzeit zu feiern.
Einen Moment lang befürchtete ich schon, mein Vater würde ihm die Bitte abschlagen, aber Richard war so beredt, dass er schließlich einverstanden war. Natürlich seid ihr alle eingeladen.»
«Ich komme mit Vergnügen», verkündete Laura fast strahlender als die Braut selbst.
«Ich auch», meldete sich Dorothy, die nicht aufhören konnte, Charlotte anzustarren.
«Ich freue mich so für dich … Richard muss sehr verliebt sein», gratulierte Laura ihr noch einmal. So schnell würde sie dieses Thema nicht wieder fallen lassen. «Und ihr, kommt ihr auch?», fragte sie die Parrish-Schwestern mit Unschuldsmiene.
Charlotte konnte sich nicht rühren, nicht sprechen. Sie fühlte nur einen heftigen Schmerz in der Brust. Am liebsten wollte sie einfach davonlaufen, aber ihre Schwester hielt sie fest an der Hand. Sicher war es ein Albtraum. Es konnte nicht sein. Immer schon hatte sie Richard geliebt, und er liebte sie auch. Das wusste sie. Auf dem Ball hatte sie es gespürt. Die Art, wie er sie angesehen hatte, wie er sie küsste. Er liebte sie. Zwar hatte er es nicht mit Worten gesagt, aber es brauchte keine Worte. Die Leidenschaft, mit der er sie umarmt hatte, während er ihren Namen flüsterte. Nein, sie konnte sich nicht geirrt haben.
«Ihr kommt doch?», fragte Camille, erstaunt über das Schweigen der Zwillinge.
Hortensia warf ihrer Schwester einen durchdringenden Blick aus ihren blauen Augen zu, bevor sie antwortete. «Natürlich kommen wir.»
Camille lächelte. «Dann lasse ich euch jetzt allein», sagte sie zufrieden. «Ich muss noch tausend Sachen erledigen. Wir sehen uns auf Delow.»
Sobald die Braut verschwunden war, blickte Laura Charlotte an. Die stolze, hochmütige Charlotte Parrish war kurz davor, in Tränen auszubrechen.
«Wie sonderbar, Charlotte», flüsterte Laura bissig. «Ein Mann erklärt dir seine Liebe, und am
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