Fesseln des Schicksals (German Edition)
nächsten Morgen rennt er los und bittet um die Hand der Erstbesten, die ihm über den Weg läuft. Ich kann mir absolut nicht vorstellen, was du jetzt tun wirst.»
Gerade wollte Hortensia ihre Schwester verteidigen, als Dorothy ihr energisch zuvorkam. «Laura, es reicht jetzt. Du hast deine Rache gehabt.»
***
Katherine saß lesend auf der Veranda, als Charlotte aus der Kutsche sprang, wie der Blitz an ihr vorbeistürzte und im Haus verschwand.
«Mein Gott! Darf man erfahren, was mit deiner Schwester los ist?», fragte sie Hortensia, die gleich danach an ihrer Mutter vorbeirannte.
«Nichts, Mama, alles ist in Ordnung», entschuldigte sie sich und blieb kurz stehen, um Luft zu holen. Dann rannte sie weiter. Ihre Worte wurden von der laut zuschlagenden Tür im ersten Stock Lügen gestraft.
Hortensia lief die Treppe hinauf und öffnete vorsichtig die Tür zu dem Zimmer, das sie sich seit der Kindheit mit ihrer Schwester teilte. «Es tut mir so leid», sagte Hortensia und konnte die Tränen nicht zurückhalten.
«Ich hasse dich! Warum hast du gesagt, dass wir zu dieser dummen Hochzeit gehen? Ich werde nicht hingehen! Ich gehe nicht!», wiederholte sie wütend und ballte die Fäuste.
«Und ob du gehen wirst, Charlotte. Wir werden beide gehen. Und du wirst beweisen, dass Charlotte Parrish sich von einem Dummkopf, der keine Achtung vor der Liebe hat, nicht unterkriegen lässt.»
«Ich kann nicht», sagte Charlotte und ließ sich weinend auf das Bett fallen.
Langsam näherte Hortensia sich ihrer Schwester. Sie setzte sich zu ihr und streichelte Charlotte sanft über den Kopf.
Charlotte sah ihre Schwester an. Tränen glitzerten über der grünen Iris und ließen ihren Blick noch tiefer erscheinen. Noch nie hatte Hortensia eine solche Verzweiflung in diesen leidenschaftlichen Augen gesehen.
«Mein ganzes Leben lang habe ich ihn geliebt», sagte Charlotte weinend. «Das weißt du.»
Schweigend nickte ihre Schwester.
«Ich habe immer nur an ihn gedacht. Seitdem er Carmody auf Silvias Hochzeit die Stirn geboten hat, habe ich mir gewünscht, ihn zu heiraten.»
«Das weiß ich doch», sagte Hortensia tröstend und umarmte sie.
«Ich dachte, dass er mich liebt. Wenn du das Feuer in seinen Augen gesehen hättest, als er mein Gesicht in seine Hände nahm. Wenn du diesen Kuss gespürt hättest …», schluchzte sie und stockte kurz. «Er liebt mich, Hortensia. Das weiß ich.»
«Quäl dich nicht, Charlotte. Es gibt nichts, was wir tun können.»
Charlotte hielt einen Moment lang inne. Ihr Gehirn arbeitete mit höchster Geschwindigkeit. Irgendetwas musste vorgefallen sein. Das alles musste ein Irrtum, ein Missverständnis sein. Und sie musste das klären, oder sie würde verrückt werden.
«Ich muss etwas tun, es muss irgendetwas geben, was ich tun kann», murmelte Charlotte immer wieder vor sich hin, als hätte sie den Verstand verloren.
«Meine liebste Schwester», bat Hortensia und nahm Charlottes Gesicht in ihre Hände. «Bitte, sieh mich an.»
Charlottes Augen gehorchten nicht, ziellos blickten sie umher, während ihre Lippen sinnlose Worte artikulierten.
«Ich werde mit ihm sprechen!», verkündete sie auf einmal, stand auf und rannte zur Tür. Aber ausnahmsweise war Hortensia schneller als ihre Schwester. Mit einem Sprung schnitt sie ihr den Weg ab und hielt sie mit aller Kraft fest.
«Das wirst du nicht tun.»
«Lass mich los», befahl Charlotte wütend und rang vergeblich mit ihrer Schwester. «Ich muss mit ihm sprechen!»
«Ich werde dich nicht gehen lassen», weigerte Hortensia sich standhaft und hielt ihre Schwester in ihren Armen fest.
«Ich muss», bettelte Charlotte. «Ich muss wissen, warum.»
Mit unendlicher Zärtlichkeit betrachtete Hortensia ihre Schwester. «Ich kann dich nicht gehen lassen, Charlotte.» Hortensia nahm das tränenüberströmte Gesicht ihrer Schwester in ihre Hände und sah ihr in die Augen.
Charlotte hatte aufgehört, mit ihr zu ringen. Die Schwestern standen sich jetzt gegenüber.
«Ich werde nicht zulassen, dass du zu ihm gehst, Charlotte. Und wenn ich dich in diesem Zimmer einschließen muss und du mich für den Rest deines Lebens hasst. Ich werde nicht zulassen, dass man dir wehtut.»
«Ich liebe ihn so sehr! Ich kann ihm nicht gegenübertreten, ich kann nicht dabei zusehen, wie er sie heiratet. Du hättest niemals sagen dürfen, dass wir auf diese Hochzeit gehen!», schimpfte sie kraftlos.
«Doch, Charlotte. Du kannst das. Denn ich werde bei dir sein. Wir werden
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