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Fesseln des Schicksals (German Edition)

Fesseln des Schicksals (German Edition)

Titel: Fesseln des Schicksals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Gallaga
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Charlotte, schließlich wird er zum ersten Mal in seinem Leben für seine Arbeit bezahlt. Er ist gewissermaßen sein eigener Herr.»
    «Unsinn.» Charlotte schüttelte den Kopf und zupfte sich ein paar Krumen vom Brot ab. «Niemand will sich für ein paar lächerliche Münzen kaputtmachen. Ich würde das im Leben nicht tun. Ich sage ja auch gar nicht, dass er nicht arbeiten soll. Aber doch nicht als Lasttier. Er könnte sich eine Arbeit suchen, die seinen Fähigkeiten eher entspricht.»
    «Und was sollte das sein?»
    «Er könnte studieren.»
    «Hast du vergessen, dass er es versucht hat? Weißt du nicht mehr, wie verzweifelt er war, als sein Antrag abgelehnt wurde?»
    «Ich weiß, man hat ihn an der medizinischen Fakultät abgelehnt, aber Noah ist der geborene Arzt, Hortensia. Er sollte nicht so schnell aufgeben.»
    «Auch wenn du dich noch so sehr bemühst, es einfach zu ignorieren, an Noahs Hautfarbe wird sich nichts ändern. Die Weißen lassen auch hier im Norden nicht zu, dass die Schwarzen ihre Mauern durchbrechen. Vielleicht gehen sie hier subtiler vor als in Virginia, aber das ist fast schlimmer. Sie lassen die Schwarzen in dem Glauben, dass ihnen alle Türen offen stehen und sie frei sind. Aber das ist nur Heuchelei. Die Schwarzen sind gut genug für schwere Arbeit oder als Dienstboten, aber nicht, um Ärzte oder Anwälte zu werden. Noah und ich haben das schon vor einiger Zeit begriffen, aber du scheinst es nicht sehen zu wollen.»
    «Ich sehe es, Hortensia. Ich sehe es jeden Tag in Noahs Augen, wenn er mit gesenktem Kopf von der Arbeit nach Hause kommt. Ich sehe es jedes Mal, wenn unsere Nachbarin Mrs. Towers zu Besuch kommt und unseren Bruder schräg ansieht. Ich sehe es, wenn er an unserer Seite durch die Straßen geht. Er liest nicht einmal mehr. Seitdem seine Bewerbung für ein Medizinstudium abgelehnt wurde, hat er keins der medizinischen Bücher mehr angesehen. Es ist, als würde er langsam ersticken, Hortensia. Jeden Tag ein bisschen mehr. Und darum werde ich ihn weiter drängen. Ich werde nicht zulassen, dass Noah aufgibt, ohne überhaupt angefangen zu haben zu kämpfen.»
    «Aber er weiß nicht, wie man kämpft.»
    «Dann wird es Zeit, dass er es lernt!»
    «Für dich ist das leicht, Charlotte. Unser Leben hat dir erlaubt, dich aufzulehnen. Aber für Noah war es anders. Er war immer ein Sklave, nie hat er einen eigenen Willen haben dürfen. Ihm wurde so oft gesagt, dass er nichts vom Leben erwarten soll, dass er es schließlich geglaubt hat. Du kannst die Seele der Menschen nicht verändern, Charlotte. Akzeptiere das endlich. Du kannst die Welt nicht verändern.»
    «Vielleicht werde ich die Welt nicht verändern, Hortensia. Aber ich schwöre dir, dass ich Noahs Leben verändere.»
    In diesem Moment kam Noah zur Tür herein. Man sah ihm an, dass er gefallen war. Seine Kleider waren schmutzig, und er hatte eine Wunde an der Stirn.
    «Um Himmels willen», schrie Hortensia auf und lief ihm entgegen.
    «Was ist passiert?», fragte Charlotte, während Hortensia ihm half, den Mantel auszuziehen.
    «Vorsichtig», warnte Noah und verzog das Gesicht vor Schmerzen. «Ich glaube, ich habe mir die Schulter ausgerenkt.»
    «Du siehst nicht gut aus. Ich gehe einen Arzt holen», sagte Charlotte und griff schon nach ihrem Mantel.
    «Nein. Es ist nicht notwendig. Mir geht es wirklich gut. Ich muss nur die Wunde säubern und den Arm ruhig stellen.»
    Charlotte zögerte.
    «Wirklich, es ist alles in Ordnung. Ich bin ausgerutscht. Ich brauche keinen Arzt.»
    «Meinetwegen», sagte Charlotte. «Wie du willst. Aber ich werde nicht glauben, dass du einfach nur ausgerutscht bist. Was brauchst du?»
    Noah trat vor den Spiegel, der in der Diele an der Wand hing. Aufmerksam betrachtete er die Wunde. Es war kein tiefer Schnitt. Sein Gesicht und sein Mantel waren zwar voller Blut, aber die Wunde hatte schon aufgehört zu bluten und würde auch verheilen, ohne genäht zu werden.
    «Bring mir etwas Wasser und Alkohol, Tücher, um die Wunde sauber zu machen, und ein Schultertuch.»
    Charlotte brachte die Dinge, nach denen Noah verlangt hatte, ins Esszimmer, wo ihr Bruder inzwischen auf einem Stuhl Platz genommen hatte.
    Während Hortensia seine Wunde säuberte und seine Blutflecken im Gesicht abwischte, band Charlotte mit dem Schultertuch den Arm unter Noahs Anweisung fest.
    «Fertig», sagte sie, als sie den letzten Knoten gemacht hatte. Vorsichtig versuchte Noah, die Schulter zu bewegen, aber es gelang ihm

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