Fesseln des Schicksals (German Edition)
das Letzte, was ihr dann einfiel.
Als sie sich wieder in Bewegung setzten, hielt Molly sich weiter diskret hinter ihnen.
«Waren Sie früher schon einmal in New Orleans, Leutnant Parrish?»
«Mehrere Male, aber immer nur kurz. Ich musste mich um Angelegenheiten kümmern, die die Plantage betrafen.»
«Erzählen Sie von Ihrer Plantage!»
Wehmütiger Glanz trübte ihm die Augen. «Bis vorgestern hätte ich noch behauptet, dass New Fortune der schönste Ort ist, den man sich überhaupt vorstellen kann, aber jetzt, wo ich Deux Chemins gesehen habe, muss ich wohl zugeben, dass ich mir dessen nicht mehr ganz so sicher bin.»
Katherine lächelte. «Es muss dort wirklich wunderschön sein.»
«Ja, das ist er. Vielleicht wird Ihre Familie mir einmal die Ehre erweisen, New Fortune zu besuchen. Dann könnten Sie sich selbst ein Urteil bilden.»
Eine halbe Stunde später waren sie wieder am Haupthaus angelangt. Katherine lehnte sich auf die Steinbalustrade der Terrasse, die die gesamte Rückfront der Villa umgab. Auch David stützte sich dankbar auf. Nach dem langen Spaziergang spürte er brennende Schmerzen im Bein.
Am Horizont konnte man das Wasser des Sees erkennen.
«Waren Sie schon am See?», wandte Katherine sich lächelnd an ihn.
Morgennebel hatte sich über die Wasseroberfläche gelegt und dämpfte ein wenig seinen Glanz.
«Bisher hatte ich keine Gelegenheit.»
«Dann haben Sie den bezauberndsten Platz von Deux Chemins ja noch gar nicht gesehen!»
Ein Sklave war zu Julien getreten und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
«Wir müssen gehen, Katherine. Papa erwartet uns.»
«Ich befürchte, dass Sie anderweitig gebraucht werden, Mr. Parrish. Es war mir ein Vergnügen, mit Ihnen spazieren zu gehen. Denken Sie daran, dass ich Ihnen den See zeigen muss, bevor Sie uns verlassen.»
«Das werde ich, Miss Lacroix.»
Katherine gab ihrem Bruder einen Kuss auf die Wange, und die beiden Männer entfernten sich auf demselben Weg, auf dem sie gekommen waren.
Kaum hatten die Frauen das Haus betreten, lief Molly, die bis zu diesem Moment immer ein paar Schritte hinter ihrer Herrin geblieben war, automatisch wieder neben Katherine.
«Molly, hast du gesehen, wie seine Augen leuchteten, als er an sein Zuhause gedacht hat?»
«Ja, die Erinnerung hat ihn sehr berührt.»
«Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas einmal sagen würde, aber ich glaube, ich bin verliebt!», gestand Katherine lachend vor Glück und breitete überschwänglich die Arme aus.
Die Sklavin war beunruhigt. Wenn Katherine sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, ließ sie nicht locker. Und jetzt war sie verliebt und wollte vielleicht sogar Mrs. Parrish werden. Etwas in ihr schrie Molly zu, dass ihre Welt sich bald verändern würde, und das machte ihr Angst. Aber ihre Gefühle spielten keine Rolle. Molly ließ sich von Katherine umarmen und freute sich mit ihr. Kattys Glück war für sie das Wichtigste.
***
An den folgenden Tagen wiederholte sich jeden Morgen dasselbe Schauspiel. Immer wenn Julien und David zum Teich kamen, wartete dort Katherine, die sie auf ihrem Spaziergang begleitete.
Eines Abends hatte David mit der ganzen Familie das Theater besucht. Erst gegen Mitternacht waren sie zurückgekehrt, und nachdem Gaston Lacroix unbedingt noch ein Glas mit ihm trinken wollte, hatten Julien und Katherine sich zurückgezogen. Wie sehr hatte er sich gewünscht, einmal mit Katherine allein sein zu können!
Als David dann endlich sein Zimmer betrat, war er müde und niedergeschlagen. Er warf Rock und Halstuch über einen Stuhl, zog die Schuhe aus und begab sich zum Bett. Jemand hatte ein gefaltetes Blatt Papier auf sein Kopfkissen gelegt. Zögernd ergriff David den Zettel und hielt ihn unter die Lampe. «Ich warte um ein Uhr beim Teich auf Sie.» Keine Unterschrift.
Schnell suchte David seine Uhr auf dem Schreibtisch. Er hatte noch zehn Minuten.
Katherine wollte ihn heimlich treffen!
Er sollte auf keinen Fall dort hingehen. Aber sosehr seine Vernunft und sein Ehrgefühl ihn auch vom Gegenteil zu überzeugen versuchten, er konnte nicht widerstehen. Der durchdringende Blick jener honigfarbenen Augen, der süße und fesselnde Klang ihrer Stimme, die ihn von Kopf bis Fuß erzittern ließen, ihr wunderschönes Lächeln, jeder noch so winzige Teil von ihr faszinierte ihn. Er musste sie einfach sehen.
Schnell zog David Rock und Schuhe wieder an und schlich vorsichtig aus dem Haus.
***
«Julien!»
Er traute seinen Augen kaum. Es war gar nicht Katherine
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