Fesseln des Schicksals (German Edition)
der kleine Disput in einen offenen Kampf ausartete. Typen wie Osborn waren komplexbeladen und nachtragend. Nach dieser Auseinandersetzung versuchte der Inspektor zwar, absolute Gleichgültigkeit an den Tag zu legen, die scharlachrote Farbe seines Gesichts verriet jedoch das Gegenteil. Die Situation musste entschärft werden, und Lacroix wusste auch schon, wie.
«Mr. Osborn, ich möchte Ihre Freundlichkeit keineswegs ausnutzen», flüsterte er ihm vertraulich zu, während er ihn am Arm in den Salon zog. Misstrauisch hörte Osborn ihm zu. «Ich fürchte, eine alte Rückenverletzung gestattet mir nicht, zu tanzen.» Mit schmerzlich verzogenem Gesicht legte Lacroix sich die freie Hand auf den unteren Rücken. «Wenn Sie vielleicht den Tanz mit meiner Tochter eröffnen könnten …»
Osborn war sichtlich überrascht. «Es wäre mir eine Ehre», sagte er würdevoll. Mit einem eindeutigen Blick gab Lacroix seiner Tochter zu verstehen, was sie zu tun hatte.
Zum ersten Mal an diesem Abend lächelte Osborn. Nachdem das Paar sich die ersten Takte lang allein gedreht hatte, reihten sich allmählich die anderen ein. Osborn schien vor Glück zu leuchten.
Katherine lächelte ihm unermüdlich zu und pflichtete mit scheinbarem Interesse jeder seiner langweiligen Bemerkungen bei.
Nachdem er seinen anstrengenden Gast kurzzeitig losgeworden war, seufzte Lacroix erleichtert auf. Er nahm sich ein Glas Champagner und gesellte sich zu seinem ältesten Sohn, der abseits der Tanzfläche stand. Julien war kaum größer als sein Vater, jedoch schlank, und seine blauen Augen und das angenehme Gesicht wirkten vertrauenerweckend.
«Julien, bereite alles vor. In zwei Tagen geht es los», teilte Lacroix seinem Sohn auf Französisch mit.
«Ist das nicht zu riskant? Nach dem Vorfall heute Abend sollten wir die Sache vielleicht abblasen.»
Lacroix’ Augen funkelten listig, als sie David in der Menge entdeckten. «Wir können ihm vertrauen.»
«Wie du meinst, Vater.»
Gaston Lacroix blickte seinem Sohn nach, der unauffällig den Salon verließ. Gerade wollte er einen großen Schluck Champagner nehmen, als neben ihm Davids besorgte Stimme erklang. «Mr. Lacroix, kann ich Sie einen Moment sprechen?»
«Aber natürlich, junger Mann.»
David wirkte verstört. «Mein Verhalten heute Abend war unverzeihlich.»
Bevor Lacroix darauf antworten konnte, sprach David weiter.
«Ich bin mir vollauf bewusst, dass es keine Rechtfertigung geben kann. Sie werden verstehen, dass ich Ihre Gastfreundschaft nach diesem Vorfall nicht länger in Anspruch nehmen möchte. Noch heute werde ich in mein Hotel zurückkehren.»
In diesem Moment wurde die Musik kurz unterbrochen, dann setzte ein neues Stück ein. Ein kurzer Blickkontakt mit seiner Tochter genügte, und bevor Osborn sich von der Tanzfläche zurückziehen konnte, hatte Katherine ihm schnell eine neue Partnerin besorgt, ihre hübsche Cousine Chantal.
Jetzt wandte Gaston Lacroix sich David zu. «Aber Leutnant Parrish, wenn Sie diesen besserwisserischen Yankee nicht in seine Schranken verwiesen hätten, ich selbst hätte mich gezwungen gesehen, ihn aus meinem Haus zu werfen», gestand er künstlich empört. «Ich bin es also, der Ihnen zutiefst dankbar ist und in Ihrer Schuld steht. Ich werde daher auf keinen Fall billigen, dass Sie uns verlassen.»
«Aber …»
«Ich bitte Sie, drängen Sie nicht weiter.»
Etwas besserer Stimmung mischte David sich unter die Gäste. Katherine tanzte inzwischen mit Vichy. Fast schien sie in der Luft zu schweben. Während seines Streits mit Osborn hatte er bemerkt, dass sie ihn angesehen, ihm zugehört hatte. Was würde sie nur von ihm denken? Ob sie verärgert war?
Als die Geigen verstummten, beobachtete David, wie Vichy seine Tanzpartnerin in einen Winkel des Salons führte und ihr einen Stuhl anbot. Nachdem sie Platz genommen hatte, entfernte sich ihr Begleiter. Das konnte Davids letzte Möglichkeit sein, Katherine näherzukommen.
«Miss Lacroix?»
«Guten Abend, Mr. Parrish. Ich freue mich, Sie zu sehen. Ich hoffe, Sie genießen den Abend.»
Fast hatte er das Gefühl, seine Knie würden nachgeben, als er ihren glühenden Blick auf sich spürte. Er konnte nur hoffen, dass man ihm die Nervosität nicht anmerkte.
«Ich frage mich, ob Sie mir wohl den nächsten Tanz schenken würden.»
Sie lächelte. Aber als sie auf die Tanzkarte blickte, die an ihrem Handgelenk hing, runzelte sie bedauernd die Stirn. «Es tut mir schrecklich leid, Mr. Parrish, aber ich
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