Fesseln des Schicksals (German Edition)
gewesen, die ihm die Nachricht hatte zukommen lassen. David kam sich vor wie ein Idiot. Niemals würde eine Frau wie sie sich heimlich mitten in der Nacht mit einem Mann treffen. Aber seit Katherine in sein Leben getreten war, war ihm jede Vernunft abhandengekommen.
«Es tut mir leid, Sie zu diesem heimlichen Treffen zu bestellen, Monsieur Parrish, aber dies ist die beste Gelegenheit. Folgen Sie mir», flüsterte Julien. «Wir müssen uns beeilen.»
Das klang eher nach einem Befehl denn nach einer Einladung. Schweigend folgte David, als Julien ihn durch das Heckenlabyrinth führte. Draußen wartete ein Sklave mit zwei Pferden. Die beiden jungen Männer stiegen auf.
«Auf geht’s, wir werden erwartet», sagte Julien, gab seinem Pferd die Sporen und ritt in Richtung See.
Am Ufer erwartete sie ein einfaches Segelboot. Obwohl kein Mond schien, konnte David auf Deck die Umrisse von drei Männern erkennen. Julien bedeutete ihm zu warten und ging vor. All diese Geheimnistuerei machte David langsam nervös. Katherines Bruder sagte ein paar Worte auf Französisch zu einem ungepflegt wirkenden Mann. Der Mann sprach kein Wort, nickte nur. Dann winkte Julien ihm, dass er an Bord gehen solle. «Keine Sorge, Leutnant Parrish. Bei Kapitän Tamalet sind Sie in guten Händen.»
«Wohin soll es gehen?»
«Machen Sie sich keine Gedanken. Das werden Sie schon bald erfahren.»
Das Boot glitt vom Ufer weg, und das Festland wurde von den Schatten verschluckt. David befand sich an Bord eines Schiffes, das keinen sehr sicheren Eindruck machte, dem Wohlwollen dreier kriminell aussehender Unbekannter ausgeliefert. Auf dem großen dunklen Gewässer gab es keine Orientierungspunkte, nur ein paar Sterne blinkten am Firmament.
Irgendwann veränderten sich die Geräusche, wurden dumpfer, intensiver. Die Luftfeuchtigkeit nahm zu, und die Sterne verschwanden. Sie waren in einen Mangrovensumpf gefahren. Als sie tiefer in das Sumpfgebiet eindrangen, schlug der Mast an die tiefhängenden Äste der Bäume, die immer dichter standen. Der Kapitän starrte in die Dunkelheit. Es war David unverständlich, wie er sich unter diesen Bedingungen orientieren konnte.
Auf ein Zeichen ihres Anführers hin klappten die Seeleute den Mast ein und bahnten sich mit Hilfe der Ruder einen Weg durch das Wurzelgeflecht. Schließlich legten sie an.
David war der Letzte, der an Land ging.
Die neuen Stiefel sanken tief in den morastigen Boden ein, während die Zweige sich in seinem perlgrauen Gehrock verhakten. Moskitos schwirrten um ihn herum. Immer wenn ihm erneut ein Ast im Weg war, bereute er, dass er nicht seine alten Kleider anhatte.
Irgendwann ahmte einer der Männer drei Mal den Schrei einer Eule nach und heftete seinen Blick auf einen Punkt in der dichten Vegetation. Kurz darauf leuchtete ein Licht in der Dunkelheit auf.
Sie brauchten fast zehn Minuten, um sich durch das dornige Gestrüpp in seine Richtung zu kämpfen.
Erst als David neben dem Mann angekommen war, der die Öllampe hielt, konnte er sehen, dass er vor einer perfekt mit Ästen und Blättern verdeckten, länglichen Holzhütte stand. Selbst bei Tageslicht wäre es fast unmöglich, diesen Ort zu finden. Es gab keine Fenster, und die Eingangstür wurde von einer dicken Kette mit Vorhängeschloss gesichert.
Als sie eintraten, nahm David, noch bevor das schwache Licht der Öllampe den Innenraum erhellte, einen fürchterlichen Gestank wahr, den er sofort erkannte. Es war der unverwechselbare Geruch eingesperrter Menschen, die ihre Notdurft an Ort und Stelle verrichteten. David hielt sich sein Halstuch vor Mund und Nase.
Etwa zwanzig Männer und Frauen waren in dieser Hütte zusammengepfercht. Sie waren angekettet, obwohl sie viel zu schwach und müde wirkten, um einen Fluchtversuch zu wagen.
David hätte diese kräftigen und gutgewachsenen Körper überall wiedererkannt. Die fast schwarze Haut, die langen Gliedmaßen und die ausgeprägte Armmuskulatur, die nicht einmal durch die lange Überfahrt vollkommen verschwunden war, ließen keinen Zweifel zu. Es waren Mandinka. Noch nie hatte er so viele auf einmal gesehen.
Sorgfältig betrachtete er sie, er musste eine gute Wahl treffen. Obwohl sie kränklich aussahen, würden sie sich bei ein wenig frischer Luft, Nahrung und Bewegung schnell wieder erholen. Früher hätte er sie in diesem bedauernswerten Zustand gar nicht zu sehen bekommen. Man hätte sie erst aufgepäppelt und dazu gezwungen, ihre Muskeln wieder aufzubauen. Nach einem Bad wären sie
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