Fesseln des Schicksals (German Edition)
herübergesehen, wie um ihr ein Zeichen zu geben.
Als Gwendolyn vor allen Leuten auf dem Boden aufschlug, spürte Molly, dass ihre Demütigung gerächt war. Und Katherine hatte sogar dafür gesorgt, dass Molly dabei zusehen konnte. Es war das einzige Mal, dass die beiden Frauen New Fortune in den vergangenen Monaten verlassen hatten.
Während Owen noch einmal wiederholte, was für ein Glück es doch war, dass Mrs. Burton schließlich Katherines Platz eingenommen hatte, zwinkerten sich die beiden Frauen hinter seinem Rücken zu. Als Molly ein stummes «Danke» mit den Lippen formte, das tief aus ihrem Herzen kam, sah man zum ersten Mal seit langer Zeit wieder Freude in ihren Augen.
Owen bemerkte die heimlichen Botschaften nicht. Der honigfarbene Blick dieser Frau hatte ihn an den Tag erinnert, an dem David Parrish ohne weitere Erklärung das Haus verlassen hatte. Seitdem waren zwei Monate vergangen. Wie konnte jemand, der eine solche Ehefrau hatte, so lange von ihr fernbleiben?, fragte er sich. Owen selbst hätte sich keine Sekunde von einer Frau wie Katherine getrennt. Und tatsächlich war er es auch, der für Davids Rückkehr verantwortlich war. Es gab da eine Angelegenheit, von der Mrs. Parrish nichts wissen durfte.
Während der Aufseher über das sonderbare Verhalten seines Dienstherrn nachgrübelte, kam Latoya aus der Küche und goss kochendes Wasser in die Teekanne, die zwischen Katherine und Molly auf einem Tischchen stand. Sobald das heiße Wasser die Teeblätter berührte, stieg aromatischer Dampf auf.
Molly verzog kaum merklich das Gesicht, als sie den intensiven Teegeruch wahrnahm. Owen überlegte einen Moment und betrachtete sie dann forschend. Wie hatte ihm das entgehen können? Jetzt war ihm alles klar. Die Müdigkeit, die Augenringe, die Übelkeit und das häufige Übergeben. Molly war schwanger. Diese Feststellung verwirrte ihn nur noch mehr. Wer war dafür verantwortlich? Er selbst hatte sie schließlich nicht angerührt. Ein Zwischenfall wie damals auf der Veranda hatte sich nicht wiederholt. Er hatte sein Verhalten ehrlich bereut, und kein anderer Mann der Plantage hätte gewagt, Hand an die persönliche Sklavin der Herrin zu legen. Niemand außer David selbst.
Katherine bemerkte die leichte Veränderung in Owens Blick. Der Aufseher hatte begriffen, warum ihr Mann so plötzlich verschwunden war. Doch in seinem Gesichtsausdruck entdeckte sie nur Mitleid und Sorge um Molly.
«Was für ein schöner Tag», sagte Katherine im Bewusstsein, dass ihr Geheimnis sicher war.
«Ja, es ist wirklich ein herrlicher Tag», pflichtete Owen ihr nachdenklich bei.
Da kam ein Sklave aus dem Wald gelaufen und begab sich zur Veranda. Er machte eine leichte Verbeugung und näherte sich dann dem Aufseher, dem er etwas ins Ohr flüsterte.
Owens Gesicht wurde ernst.
«Ist etwas passiert, Owen?»
Der Sklave, ein etwa fünfzehnjähriger Junge, sah die Herrin verstohlen an.
«Nichts weiter, Mrs. Parrish», wehrte Owen ab. «Anscheinend wird eine Sklavin niederkommen. Wenn Sie mich entschuldigen …» Owen stand auf und hob die Hand an die Hutkrempe.
Aus der Entfernung konnte Katherine nicht mehr hören, was gesagt wurde, aber Owen gab dem Jungen ein paar Anweisungen, woraufhin dieser nickte und in die Richtung losrannte, in die David vorhin weggeritten war.
Auch Latoya, die noch immer den Wasserkessel in der Hand hielt, wirkte beunruhigt.
Ihr Instinkt sagte Katherine, dass irgendetwas nicht stimmte. Zwar waren die Sklaven ein geschätztes Gut auf der Plantage, aber es kam ihr komisch vor, dass so viel Aufhebens um eine Geburt gemacht wurde. «Latoya, wer ist diese Sklavin? Kenne ich sie?»
«Ich glaube nicht, Herrin», antwortete Latoya ausweichend. «Es ist ein Mädchen, das auf den Feldern arbeitet. Sie war noch nie im Herrenhaus.»
«Wie heißt sie?»
«Velvet», antwortete Latoya zögernd.
Irgendwo hatte Katherine den Namen schon einmal gehört. Angestrengt dachte sie nach. «Jetzt erinnere ich mich!», rief Katherine so laut, dass Latoya beinahe den Kessel fallen ließ. Es war die junge Frau, die Katherine Anfang Oktober getroffen hatte. Also hatte sie ihr Kind noch nicht bekommen. Katherine runzelte die Stirn. Langsam kam es ihr so vor, als hätten sich alle verschworen, um ihr etwas zu verheimlichen.
Molly war neben ihr eingeschlafen. In letzter Zeit schlief sie ständig ein. Katherine stand auf und deckte sie liebevoll zu. «Latoya, ich will, dass du mich zu Velvet bringst.»
Erschrocken riss
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