Fesselnde Entscheidung (German Edition)
Fünkchen Gerechtigkeit auf dieser Welt, dachte Oskar bitter. Sie waren mal beste Freunde gewesen, die allerbesten. Aber das war lange her. Wo war Schulte gewesen, als es mit seiner Karriere schlagartig zu Ende war, als es ihm so dreckig ging, dass er sich fast zu Tode gesoffen hatte? Volltrunken hatte er Schulte damals einmal angerufen. »Werd erst mal wieder nüchtern!«, hatte er zu ihm gesagt. Mehr hatte er nicht für ihn übrig gehabt – von seinen zwei, drei scheinheiligen Anrufen mal abgesehen.
Oskar trat aufs Gaspedal und überholte das vor ihm fahrende Fahrzeug. Riskant musste er schnell wieder einscheren, weil er die Geschwindigkeit des entgegenkommenden Autos unterschätzt hatte. Ein lautes Hupkonzert ging auf ihn nieder, er hupte aggressiv zurück.
Vielleicht hätte er Schulte das alles verzeihen können, dachte Oskar weiter, wenn der Verrat nicht schon viel früher erfolgt gewesen wäre. Schulte hatte gewusst, da war sich Oskar sicher, dass Elisabeth die Liebe seines Lebens gewesen war. Ihre Unnahbarkeit hatte ihn fasziniert, von ihrem Antlitz ganz zu schweigen. Ihre schwarzen Haare hatte sie immer zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden, was sie hatte strenger wirken lassen, als sie tatsächlich gewesen war. Ihr zauberhaftes Lächeln würde er nie vergessen. Niemals.
Aber sie hatte sich ja für Schulte entscheiden müssen. Ihr Vater hatte sie dazu gedrängt, weil er in Schulte den passenden Nachfolger für die Firma gesehen hatte.
Hätte Schulte nicht ein einziges Mal in seinem Leben uneigennützig handeln und Elisabeth einen Korb geben können? Nein, das hatte er nicht können! Stattdessen hatte er sie im Handumdrehen zu seiner Frau gemacht und geschwängert. Zwei Fliegen mit einer Klatsche, hatte Schulte damals freudestrahlend zu ihm gesagt: die Firma und eine tolle Frau.
Vielleicht hatte Elisabeth für das, was sie ihm angetan hatte, so früh sterben müssen, zog Oskar kurz in Erwägung. Immer wieder hatte sie ihm Hoffnungen gemacht, mit seinen Gefühlen gespielt und ihn dann einfach eiskalt fallen gelassen.
Oskar bog viel zu schnell um eine enge Rechtskurve. Abrupt trat er auf die Bremse. Die Bremsen quietschten und die Reifen kamen auf der regennassen Fahrbahn ins Rutschen. Sowohl das ABS als auch das ESP sprangen an. Dennoch kam sein Wagen gefährlich ins Schleudern. Fast hätte er gänzlich die Kontrolle über sein Auto verloren. In letzter Sekunde gelang es im, wieder auf seine Spur zu kommen. Ein Fahrzeug von der Gegenfahrbahn rauschte nur wenige Millimeter an ihm vorbei, er hatte die Scheinwerfer schon auf sich zukommen sehen. Blitzartig war er aus der Vergangenheit erwacht und konzentrierte sich nun voll und ganz auf die Straße.
Oskar parkte seinen Wagen direkt vor dem zehngeschossigen Bürogebäude, in dem er sich zwei Zimmer für seine Privatdetektei angemietet hatte. Zu dieser Zeit waren vor dem Hochhaus immer ausreichend Stellplätze frei. Tagsüber war das schon schwieriger und Oskar musste oft genervt um den Block fahren, um irgendwo – häufig weit entfernt – einen Parkplatz zu finden.
Er schloss die Tür zum Haupteingang auf und fuhr dann mit dem Fahrstuhl in den achten Stock. Kurz bevor er die Tür zu seinem Büro erreicht hatte, machte er noch mal auf dem langen Flur kehrt, ging zurück zum Fahrstuhl und öffnete neben der Fahrstuhltür die Abseite, in der das Reinigungspersonal die Putzutensilien verwahrte. Nach kurzem Durchschauen fand er, wonach er gesucht hatte: einen schwarzen Müllbeutel.
Schließlich war Oskar in seinem Büro. Behutsam legte er den Geldkoffer auf den schlichten Schreibtisch, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich hin – ohne seinen Blick von dem Koffer zu nehmen und dachte nach. War es richtig, was er vorhatte?
Er zog ein Flugticket aus seiner Jackentasche und betrachtete es nachdenklich. Nach Chile hatte er schon immer gewollt und das Beste war, ein Auslieferungsabkommen mit Deutschland bestand nicht.
Würde Elisabeth es ihm jemals verzeihen, wenn er ihre Tochter eiskalt opfern würde? Zweifel überkamen ihn, aber ein schlechtes Gewissen blieb aus. Er öffnete den Koffer und schnupperte an den Geldnoten. Wer hatte behauptet, dass Geld nicht stinken würde, fragte er sich. Angenehm roch es auf jeden Fall nicht.
Er atmete tief durch. War es nicht endlich an der Zeit, sein Leben zu leben? Nicht mehr der Vergangenheit hinterher zu trauern? Sondern endlich den Neuanfang zu wagen? Fernab der Heimat, weg von Elisabeth und wie die anderen alle
Weitere Kostenlose Bücher