Fesselnde Entscheidung (German Edition)
konnte.
Nach ein paar hundert Metern stolperte sie plötzlich, weil sie ein Schlagloch übersehen hatte und fiel zu Boden. Das Bauernhaus war längst nicht mehr in Sichtweite, aber eine andere Straße oder geschweige denn eine andere Menschenseele ebenfalls nicht.
Sie konnte es nicht fassen. Sie war frei! Er hatte sie gehen lassen. Und das, obwohl sie sein Gesicht gesehen und ihn immer wieder erkennen würde.
Völlig außer Atem richtete sie sich langsam auf und dachte nach. Wo war sie? Auf einem Feldweg inmitten von Baumreihen, links und rechts waren nur braune Felder und grüne Wiesen zu sehen. Irgendwo auf dem Land, wahrscheinlich zwischen irgendwelchen einsamen und verlassenen Dörfern, nahm sie an. Sie wusste überhaupt nicht, wo sie sich befand. Vielleicht würde sie irgendwann eine richtige Straße erreichen und ein Auto anhalten können. Und dann? Wo sollte sie hin? Zur Polizei?
Nach Luft ringend stütze sie sich nach vorn gebeugt mit den Händen auf ihren Knien ab.
Sie konnte es einfach nicht fassen! Ihr eigener Vater hatte ihren Tod riskiert. Mehr noch. Hatte ihn eiskalt provoziert und kein Lösegeld gezahlt. Sie hatte ihm viel zugetraut. Aber niemals das.
Sollte sie vielleicht erst mal versuchen irgendwie zu Kristina, ihrer besten Freundin, zu gelangen, oder wo sollte sie hin? Es war so viel passiert. Sie war sich sicher, ihrem Vater nie wieder in die Augen sehen zu können. Was sollte sie nur machen?
Die Möglichkeiten, die sich ihr mit der unverhofften Freiheit vollkommen unvorbereitet plötzlich boten, überforderten sie maßlos.
Elisa ging in die Hocke und wischte sich mit ihrem Handrücken die aufkommenden Tränen von den Augen.
Dann setzte sie sich hin und umschloss mit den Armen ihre Knie. Wie um alles in der Welt hatte ihr eigener Vater sie opfern können? Das war unfassbar. Unvorstellbar!
Plötzlich musste sie an den Entführer denken. Er hatte sie gehen lassen. Was würde er jetzt machen? Vielleicht sollte sie besser vom Feldweg verschwinden, falls er das Haus fluchtartig verlassen und sich ihre Wege hier kreuzen würden.
Aber anstatt aufzustehen, blieb Elisa wie gelähmt sitzen. Ihre Gedanken überschlugen sich. Immer wieder fragte sie sich, weshalb er sie einfach hatte gehen lassen? Sie würde ihn identifizieren können. Das stand außer Frage. Sie barg ein hohes Risiko für ihn.
Auf einmal wurde ihr klar, dass er die Waffe wahrscheinlich absichtlich weggeworfen hatte, weil sie sie in die Hände bekommen sollte. Er hatte sie aufgefordert ihn zu erschießen. Das wurde ihr erst jetzt richtig bewusst. Er wollte sie nicht verunsichern, wie sie ursprünglich gedacht hatte. Er wollte sterben. Was würde er jetzt machen, nachdem sie weg war? Würde er sich selbst richten? Er war verzweifelt gewesen und wusste vielleicht keinen anderen Ausweg mehr.
Mit einem Schlag machte sich ein beklemmendes Angstgefühl in Elisa breit. Aber diesmal war es eine andere Angst. Keine Todesangst, sondern eine nicht greifbare Angst. Was, wenn er sich selbst richten würde?
Der Gedanke, indirekt für seinen Tod verantwortlich zu sein, schnürte ihr die Kehle zu. Am meisten fürchtete sie sich davor, die schwere Schuld am Tod eines Menschen zu tragen. Egal an wessen. Schuldig zu sein an einem Tod, den sie vielleicht hätte verhindern können. Sie bekam Bauchschmerzen und fragte sich, ob sie mit dieser Schuld bis an das Ende ihrer Tage werde leben können.
Aber andererseits: Was sollte sie tun? Es war sein Leben. Seine Entscheidung. Und doch, überlegte sie krampfhaft, er hatte sie den Umständen entsprechend gut behandelt. Hatte sie nicht angefasst, ihr essen und trinken gegeben. Den Tod hatte er nicht verdient, fand sie.
Wer hatte schon den Tod verdient?
Alles wäre gut geworden, wenn ihr Vater einfach das Lösegeld gezahlt hätte. Aber das hatte er nicht getan. Aus Gründen, die wahrscheinlich fernab von jedem gesunden Menschenverstand lagen.
Was sollte sie nur tun? Wenn sie jetzt loslaufen und die Polizei holen würde, wäre es vielleicht zu spät. Und die ewige Schuld würde an ihr nagen, bis sie selbst tot war.
So fasste sie im Schockzustand einen folgenschweren Entschluss und ging zurück.
25. Kapitel - Freitag, 12.09.
Schulte wollte unbedingt das Krankenhaus verlassen. Er hielt es dort keine Sekunde länger aus, das untätige Warten machte ihn fast wahnsinnig. Auch wenn ihm die Ärzte davon abgeraten hatten, ließ er sich am frühen Morgen von Frau Schneider abholen.
Zuerst fuhren sie zu
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