Fesselndes Geheimnis
schon längst Laut gegeben hatte. Jeden Moment aber musste eine Nachricht des erzürnten Mark kommen, der sich irgendwo, wahrscheinlich ganz in der Nähe, die Beine in den Bauch stand, während seine Auftraggeberin durch ihr Leben taumelte, nachdem sie durch einen Wildfremden mit zartharten Streicheleinheiten verwöhnt worden war …
Ich hetzte weiter und stolperte durch das Dünengras. Dieses Mal achtete ich auf meine Schritte, obwohl meine Möse bei dem Gedanken an den Fremden abermals begonnen hatte zu pulsieren. Auch mein linker Nippel pochte, und es fiel mir schwer, ihn zu ignorieren.
Wo war Mark? Sollte ich es riskieren, ihn laut zu rufen? Oder sollte ich mein Handy benutzen um ihn anzurufen? Doch das eine wie das andere hatte mir Mr. Paranoid streng verboten. Die Vorahnung, die mich bereits am Strand heimgesucht hatte, verstärkte sich.
Plötzlich schälte sich eine Gestalt aus zwei Büschen heraus und trat energisch auf mich zu. Nach einer Schrecksekunde entwich meiner Kehle ein unwillkürlicher Laut der Erleichterung.
»Mark!«, stieß ich hervor, »Da bist du ja. Ich …«
Mit einer raschen Geste gebot er mir zu schweigen, sah sich schnell um und ergriff mich dann seltsam drängend an den Schultern. Sein Verhalten zusammen mit meiner Vorahnung verdichteten sich zu einer furchtbaren Gewissheit. Was immer Mark erfahren hatte, es würde mir nicht gefallen. Mark nickte und sah mir so eindringlich in die Augen, als könne er meine Gedanken lesen. Er öffnete den Mund … im nächsten Moment zuckte sein Körper zusammen, noch bevor ich ein dumpfes Geräusch hörte. Dann zog sich eine seltsame Starre durch seine Glieder und über sein Antlitz.
»Mark!«, verwirrte Panik floss durch meine Adern und brachte mich dazu, beinahe zu schreien. »Was ist denn …?!«
Der Detektiv taumelte, seine Hände immer noch in mich verkrallt und ich wankte unter seinem Gewicht. Langsam und obwohl ich versuchte ihn zu halten ging er zu Boden. Und während er mich ansah, konnte ich das Leben aus seinen Augen schwinden sehen, Todesblässe in seinen Adern fließen.
»Geh nicht … Polizei … dein Vater war …« Keuchend rang er nach Luft, nicht in der Lage den Satz zu beenden. Dann presste er hervor: »… La Belle Folie …« Wie von Außen sah ich mich, Marks Kopf auf meinem Schoß gebettet, unwirklich und bizarr, das unglaublich rote Rot, mit dem das Blut aus der Wunde an seinem Rücken austrat und den Boden verfärbte. Sah, wie Marks stummer Mund versuchte Worte zu formulieren, das langsamer Werden seiner Atmung. Ich wusste, es war real, aber es fühlte sich nicht so an, war unwirklich und fern, passierte nicht mir, nicht ihm. Das Brechen seiner Augen viel intensiver als im Fernsehen. Und plötzlich war er tot. Mein Verstand erwachte aus seiner Betäubung und brachte meinen Körper zum Aufspringen. Ich war allein mit einer Leiche. Mit einer Leiche und einem Mörder, der in der Nähe war. Er musste mich gesehen, mich verschont haben. Meine Knie gaben nach und bewegten sich doch, die Welt begann sich um mich zu drehen, obwohl ich mich bewegte. Dichter und dichter fiel Finsternis herab, wie aus purer Nacht gewebte Trauer. Schließlich gab es nur noch verschwommene Farben, verworrene Eindrücke – und mich.
Kapitel 4
Rückblickend kam es mir so vor, als wäre ich den gesamten Weg bis zu meinem Hotel in Bredene-Dorp gerannt. Ich rannte wie gehetzt durch die Dünen, über den Strandweg, durch den Tunnel zur Duinenstraat, überquerte ohne aufzupassen den Strandparkplatz, und wäre fast in ein schnell startendes Auto gerannt. Der Wagen raste mit quietschenden Reifen fort, so dass Steinchen von ihm fortspritzten. Keuchend rannte ich weiter, zu entsetzt, um auf meine Umgebung zu achten, und erst als ich in der relativen Sicherheit meines Hotelzimmers angelangt war und die Tür hinter mir verriegelt hatte, begann mein schockgekühltes Gemüt sich wieder zu erwärmen. Ich warf mich aufs Bett und fühlte Schmerz, Zorn, Trauer, Hilflosigkeit – alles durcheinander.
Ein irrationales Schuldgefühl kam auch noch hinzu. Für mich stand fest, dass Marks plötzliches Ableben irgendetwas mit meinem Auftrag zu tun haben musste. Aber was um alles in der Welt konnte dahinterstecken? Mark Weiß hatte doch nur meinen seit einundzwanzig Jahren verschollenen Vater suchen sollen. Und in Ostende hatte sich eine erste Spur manifestiert. Mark hatte mir gegenüber von einem nahenden Durchbruch gesprochen. Er war überzeugt gewesen, mir helfen und
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