Fessle mich!
Ohrfeige verdient, so unverschämt war seine Bitte. Aber gerade deshalb hatte Macy gute Lust, ihm den Gefallen zu tun. Sie ging ein ziemliches Risiko ein, denn wer konnte schon vorhersehen, wie er reagieren würde. Aber hatte sie nicht insgeheim gehofft, dass etwas in der Art passierte?
Sie überlegte einen Moment. Theoretisch müsste es möglich sein, das Ding anzuziehen, ohne dass sie sich ausziehen musste. Langsam stand sie auf. Sie schlang den BH um die Taille und hakte ihn zu. Dann schlüpfte sie aus den Ärmeln ihres T-Shirts und streifte die Träger des BHs über die Arme. Es ließ sich zwar nicht vermeiden, dass dabei ein Streifen nackter Haut zu sehen war, aber es gelang ihr, den BH von der Taille an den Ort zu schieben, an den er hingehörte, ohne dass sie sich allzu lächerlich machte. Schnell wieder in die Ärmel geschlüpft, und schon war’s geschafft.
Leo hatte ihre Verrenkungen mit ausdrucksloser Miene beobachtet. Kein Lidschlag, kein noch so kleines Zucken ließ erkennen, wie die Vorstellung auf ihn gewirkt hatte. Macy war sich sehr wohl bewusst, dass sie nicht gerade zu den üppig ausgestatteten Frauen gehörte. Trotzdem besaß sie alles, worauf es bei einer Frau ankam, fand sie. Leider wollten die Männer einfach nicht kapieren, dass es im Leben nicht auf die Größe ankam. Nun, auch Leo würde seine Lektion noch lernen.
Macy trat einen Schritt auf ihn zu. Dann noch einen und noch einen, bis ihre Knie seine Beine berührten. Sie sprang auf den Sessel und ließ sich auf Leos Schoß nieder. Peter Pan und Tinkerbell unter dem pinkfarbenen Top befanden sich nun genau auf der Höhe seiner Augen. “Hast du sonst noch einen Wunsch?”
“Wenn du so fragst, ja: Zieh das Top aus!” Obwohl Leos Stimme ziemlich gepresst klang, sah er ihr fest in die Augen. Sein Blick und das, was Macy erneut an der Unterseite ihrer Schenkel spürte, machten seine Absichten ganz eindeutig. Wäre Macy ein wohlerzogenes Mädchen, hätte sie jetzt die Empörte gespielt. Da sie aber jegliche Art von Komplikationen verabscheute und ihr Ziel stets auf dem kürzesten Weg ansteuerte, ließ sie diesen Schritt kurzerhand weg. Den ganzen Abend schon wünschte sie sich nichts anderes, als Leos Hände auf ihrem Körper zu fühlen.
“Du zuerst”, befahl sie. “Nimm die Krawatte ab.”
Leo zögerte nur den Bruchteil einer Sekunde. Ehe er wusste, wie ihm geschah, hatte ihm Macy den bunten Seidenschlips schon vom Hals gezogen und ihn um seine Handgelenke geschlungen. Er ließ es widerspruchslos geschehen. “Das ist also das kleine Geheimnis, das du noch nicht einmal deiner besten Freundin anvertrauen würdest”, meinte er nur. “Fein, noch ein Punkt, den ich abhaken kann.”
Macy musste sich auf die Lippen beißen, um sich eine spitze Bemerkung zu verkneifen. Leo hatte sich soeben eigenhändig aus dem Spiel katapultiert und seinen Fehler noch nicht einmal bemerkt. Er hatte gegen das Gebot der Verschwiegenheit verstoßen und ihr eine seiner Aufgaben verraten. Äußerlich ganz ruhig wickelte sie die Krawatte noch ein paar Mal um seine Handgelenke. Vermutlich ruinierte sie gerade ein Designerstück, das ein kleines Vermögen gekostet hatte, aber das kümmerte sie kein bisschen.
“Bist du endlich fertig?”, fragte Leo ungeduldig, als nur noch drei Zentimeter Seide lose herabhingen.
Macy betrachtete ihr Werk prüfend und nickte. Sie war mehr als zufrieden mit der Wendung, die die Schnitzeljagd genommen hatte. Zu dumm, dass sie keine Ahnung hatte, wie es weitergehen sollte. Wenn es nach ihr ginge, würde sie Leo als Nächstes die Sachen vom Leib reißen, aber damit würde sie ihn vermutlich zutiefst schockieren. Ihr Verdacht sollte sich umgehend bestätigen.
“Macy”, meinte Leo plötzlich, “ich hab’s mir anders überlegt. Es ist besser, wenn du das Top anbehältst.”
So ließ Macy aber nicht mit sich umspringen. Jetzt erst recht, dachte sie zornig. Trotzig packte sie den Saum ihres Shirts, um es sich über den Kopf zu ziehen, da dämmerte es ihr: Es gehörte zu seinem Plan. Er wollte sie provozieren, um genau das zu erreichen! Schnell ließ sie die Arme sinken. “Ganz schön hinterhältig”, schimpfte sie. “Zu dumm, dass ich Psychologie studiert habe und deine plumpen Tricks durchschaue.”
“Deine Kenntnisse in Psychologie in allen Ehren. Wetten, dass ich trotzdem problemlos alles über dich erfahre, was ich wissen will?”
“Die Wette gilt.” Leos Überheblichkeit ging Macy langsam ziemlich auf die Nerven.
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