Fessle mich!
Sinnestäuschung und kniff die Augen zusammen, aber nein, er löste sich nicht in Luft auf wie eine Fata Morgana. “Was meinst du?”, stotterte sie verwirrt.
Leo deutete auf die Gurke in ihrer Hand. “Na, dass es auf die Größe nicht ankommt.”
Vor Verlegenheit wäre Macy am liebsten im Erdboden versunken. Schlimm genug, dass er sie dabei ertappt hatte, wie sie an einer Gurke herumfummelte. Aber zu allem Überfluss wurde sie jetzt auch noch rot. Schnell beugte sie sich über ihren Einkaufswagen und legte die Gurke langsam und umständlich hinein. Dabei fiel ihr Blick in Leos Korb, und ihre Laune besserte sich blitzschnell. Sieh mal einer an! Nicht einmal der abgeklärte Leo war gegen alle Versuchungen gefeit! Er hatte eine runde, pralle Honigmelone in seinen Wagen geladen.
Mit sichtlicher Genugtuung zeigte Macy mit dem Finger auf die reife Frucht. “Jeder von uns hat so seine Träume, wie man sieht”, bemerkte sie zuckersüß und gratulierte sich zu der schlagfertigen Erwiderung. Endlich einmal hatte sie das letzte Wort behalten. Erwartungsvoll sah sie Leo an – ein folgenschwerer Fehler, wie sich prompt herausstellte. Wieder einmal hatte sie nicht daran gedacht, wie umwerfend attraktiv er war.
Leos Augen waren zartgrün wie … frische Salatblätter. Über sein Kinn und die Wangen verliefen feine bläuliche Schatten. Der Herr Anwalt war offensichtlich zu beschäftigt für die morgendliche Rasur. Er überragte Macy um einiges, fast einen halben Meter, schätzte sie. Jedenfalls befanden sich ihre Augen auf gleicher Höhe mit der Brusttasche seines Hemds, und ihr wurde wieder einmal bewusst, wie breit sein Brustkorb und wie stark und muskulös seine Schultern waren. Mit einem wohligen Schauer dachte Macy daran, wie hart sich diese Muskeln unter ihren Händen angefühlt hatten. Und weil sie gerade dabei war, fuhr sie in Gedanken noch einmal über seine rauen Bartstoppeln und streifte seinen Mund mit ihren Lippen.
Sie seufzte leise. Warum gab es kein Gesetz, das regelte, wer in der Öffentlichkeit einkaufen durfte und wer nicht? Noch eine Minute länger in seiner Gegenwart, und sie würde dem Zauber seiner Augen erliegen und rettungslos dahinschmelzen. Über die Konsequenzen mochte sie gar nicht nachdenken. Womöglich handelte sie sich ein unwiderrufliches Hausverbot im Supermarkt ein, denn ein derartiges Verhalten verstieß sicherlich gegen jede erdenkliche Hygienevorschrift.
Leo schien von dem Aufruhr, den sein plötzliches Erscheinen verursacht hatte, wieder einmal nicht das Geringste zu bemerken. Er kramte umständlich in der Tasche seines frisch gestärkten weißen Hemds, zog einen Zettel hervor, faltete ihn gewissenhaft auseinander und las ihn aufmerksam durch.
Erst nach einer geraumen Weile dämmerte es Macy, dass er nicht etwa seine Einkaufsliste überprüfte, sondern den Fragebogen, den sie ihm ausgehändigt hatte, studierte. Sie war sprachlos. Dieser Kerl schleppte tatsächlich den Fragebogen mit sich herum? Wollte er sich über sie lustig machen? Einen anderen Grund konnte Macy sich nämlich beim besten Willen nicht vorstellen. “Was machst du denn da?”, fragte sie argwöhnisch.
Leo rückte seine Brille zurecht und antwortete, ohne aufzusehen: “Ich will mich vergewissern, ob hier nicht nach deiner Lieblingsspeise gefragt wird.”
Macy war platt. Statt einer Erwiderung schob sie stumm den Einkaufswagen an ihm vorbei. Mit einem gewissen Hochgefühl stellte sie fest, dass Leo ihr, ohne zu zögern, folgte. Ach was, Hochgefühl! Selig war sie! Eiskalte Schauer jagten über ihren Rücken vor Freude. Das glaubte sie wenigstens so lange, bis sie ernüchtert feststellen musste, dass sie gerade an den Truhen mit der Tiefkühlware vorbeiging, aus denen eisige Schwaden stiegen.
Frustriert setzte sie ihren Weg fort. “Ein bestimmtes Lieblingsgericht habe ich nicht, so viel kann ich dir verraten”, rief sie über die Schulter hinweg nach hinten. “Aber bei Schokolade werde ich einfach schwach, und zu Erdnussbutter und Popcorn kann ich auch nur schwer Nein sagen.”
Plötzlich wirbelte Macy herum und versuchte, Leo mit dem Wagen den Weg zu versperren. Der konnte gerade noch ausweichen. “Was soll das überhaupt?”, rief sie entrüstet. “Spionierst du mir etwa nach?”
“Wie kommst du denn darauf?”
Macy warf einen Blick auf ihre Kinderarmbanduhr, auf dessen Ziffernblatt Pu der Bär abgebildet war. “Es ist Viertel nach drei an einem Montagnachmittag. Solltest du da nicht im Büro sitzen
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