Fessle mich!
hatte. Damit noch lange nicht genug: Zu allem Überfluss musste sie sich wohl oder übel mit der niederschmetternden Tatsache abfinden, dass Leo sie fallen gelassen hatte wie eine heiße Kartoffel.
Sie hätte heulen können vor Wut. Das Alleinsein machte sie krank, die Schnitzeljagd erwies sich als Reinfall, und wie sie ihren Fragebogen ausfüllen sollte, ohne ihrem Partner auf den Zahn fühlen zu können, daran mochte sie im Augenblick gar nicht denken.
Um sich von ihrem Elend abzulenken, ging Macy einkaufen, zum ersten Mal seit sie ihren jämmerlichen Einpersonenhaushalt führte. Sie kaufte einen einzigen Liter Milch – Vollmilch anstatt der wässrigen, kalorienreduzierten Sorte, auf die Lauren bestanden hätte –, Crème fraîche, echte Butter, schmackhaften, fettreichen Käse und jede Menge Kekse. Laurens eisernes Kaloriensparen hatte dauernd Anlass zu Reibereien gegeben.
Die ernährungsbewusste Lauren hatte die Hälfte dessen, was Macy in den Korb packte, wieder in die Regale zurückgestellt, aber Macy hatte sich nur ausgewogen und gesund ernährt, solange sie gemeinsam eingekauft hatten. Heute jedoch wollte sie so richtig über die Stränge schlagen. Höchstwahrscheinlich würde sie einen Herzinfarkt kriegen, wenn sie die Rechnung präsentiert bekam, aber das war ihr im Augenblick völlig schnuppe.
Macy war die jüngste von sechs Geschwistern. Sie hatte früh gelernt, dass man sich die Aufmerksamkeit, die man haben wollte, hart erkämpfen musste. Außerdem hatte sie sich die Fähigkeit angeeignet, selbst im größten Trubel konzentriert arbeiten zu können. Das ging so weit, dass sie sich auch als Erwachsene erst dann wohl fühlte, wenn sie hören konnte, dass sie nicht allein war. Sie brauchte einen gewissen Geräuschpegel. Man konnte fast sagen, dass sie nur dann zu Höchstleistungen auflief, wenn es um sie herum brodelte. Ruhe, Stille, Frieden waren ihr ein absolutes Gräuel. Lärm dagegen machte ihr überhaupt nichts aus, im Gegenteil: Je lauter es um sie herum war, desto mehr blühte Macy auf.
Deshalb machte ihr Laurens Abwesenheit so entsetzlich zu schaffen. Wenn sich Lauren in der Wohnung aufhielt, konnte sich Macy auch auf ihre Arbeit konzentrieren. Jetzt aber starrte sie stundenlang aus dem Fenster. Für die Abteilungskonferenz am nächsten Morgen hatte sie sich noch keine Notizen gemacht, von ihrem Beitrag zur Webseite, dessen Abgabetermin bedrohlich nahe rückte, ganz zu schweigen. Sie war ganz offensichtlich nicht imstande, einen einzigen, zusammenhängenden Satz zu einem Thema zu formulieren, über das sie sich seit Wochen Gedanken machte. So konnte es doch nicht weitergehen! Sie musste sich etwas einfallen lassen.
Während Macy versuchte, ihre Lage zu analysieren, war sie zwischen den Regalen mit Knabbereien durchgelaufen und hatte gedankenlos Kartoffelchips, Käsecracker und Tortillachips eingepackt. Ein ganzer Berg von Tüten türmte sich in ihrem Einkaufswagen. Als Nächstes suchte sie die riesige Gemüseabteilung des Einkaufszentrums auf. Auf meterlangen Ständen lockte eine geradezu traumhafte Auswahl an frischem Obst und Gemüse. Macy betrachtete die Pracht jedoch mit gemischten Gefühlen. Alles hier erinnerte an Lauren, die wegen des riesigen Angebots und der hervorragenden Qualität der Ware immer gerne hier eingekauft hatte.
Macy schüttelte wütend den Kopf. Fang jetzt bloß nicht an zu heulen, ermahnte sie sich. Die Welt geht nicht unter, nur weil Macy Webb heute Singleportionen einkauft. Es hat eigentlich nur Vorteile, wenn man mit drei Äpfeln und zwei Bananen anstatt je einem halben Dutzend nach Hause gehen kann. Man muss erstens viel weniger schleppen, zweitens kann nichts verderben, und drittens bleiben die besten Stücke auf jeden Fall für mich.
Noch schnell einen Kopf Eisbergsalat – den hatte Lauren nicht ausstehen können –, ein Netz mit winzigen Karotten und eine kleine Tomate. Mehr brauchte es nicht für einen einfachen Salat. Denn Macy bevorzugte in der Regel einfache Hausmannskost. Es war stets Lauren gewesen, die auf exotische Gerichte bestanden hatte.
Lauren wäre sehr stolz auf mich, sagte sich Macy. Ich habe mich wirklich sehr zusammengerissen und verhältnismäßig vernünftig eingekauft. Sie musterte eine Salatgurke von allen Seiten und wog sie dann abschätzend in der Hand.
“Dann stimmt es also doch nicht, was die Leute immer behaupten.”
Macy zuckte zusammen. Vor ihr stand, wie aus dem Nichts herbeigezaubert, Leo Redding. Erst glaubte sie an eine
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