Fessle mich!
Weile klappte er den Mund zu und murmelte: “Ich danke Ihnen, Dr. Webb.”
Macy schnitt eine Grimasse. “Tut mir leid. Ab und zu geht es einfach mit mir durch. Eine Mitbewohnerin habe ich damit bereits vergrault.”
“Wie? Lauren ist ausgezogen, weil du ihr zu einem Hund geraten hast?”
“Ich wünschte, ich hätte es getan.” Macy schälte die Grapefruit und zog die weiße Innenhaut sorgfältig mit dem Messer ab. “Damit wäre ihr vielleicht sogar wirklich geholfen.”
Ungläubig zog Leo die Brauen hoch. “Es ist mir einfach schleierhaft, wie dein Gehirn arbeitet, Macy Webb, aber ich glaube, ich will es gar nicht wissen.”
“Du willst damit nicht etwa zum Ausdruck bringen, dass ich doch eine Herausforderung für dich darstelle?”
Daher also wehte der Wind. Leo konnte sich nur zu gut an den Tag erinnern, als er ihr das vorgeworfen hatte. Nun, er hatte seine Meinung inzwischen grundlegend geändert. Die Frau war ihm ein Rätsel – was aber noch lange nicht heißen musste, dass sie auch sein Typ war. Er nickte. “Du bist zumindest ungewöhnlich.”
“Ungewöhnlich, ja? Aber natürlich noch lange keine Herausforderung, was?” Macy drehte den Wasserhahn auf und wusch sich den klebrigen Saft von den Fingern. “Hüte deine Zunge, mein Lieber, sonst fliegen dir gleich ein paar Melonen um die Ohren.”
Kommt ganz drauf an, welche, ging es Leo zu seiner eigenen Überraschung durch den Kopf. Dann grinste er, jetzt schon zum vierten Mal. Er schien die Kontrolle über sein Mienenspiel komplett verloren zu haben. Das kann ja heiter werden, dachte er und räusperte sich. “Wir sind vom Thema abgekommen. Eigentlich wollten wir uns über die Hausregeln einigen.”
Macy nickte. “Richtig. Also: Wenn ich mich schon in die Küche stelle, kann ich genauso gut für zwei kochen. Das heißt, falls du da bist. Wenn nicht – Pech gehabt. Wenn ich keine Lust habe zu kochen – Pech! Grundsätzlich lautet die Devise …”
“Jeder sieht zu, wo er bleibt. Ich hab’s kapiert. Das Gleiche gilt übrigens auch umgekehrt. Wenn ich koche, koche ich für zwei.”
“Einverstanden! Ach, noch was!” Macy hob warnend den Zeigefinger. “Lass die Finger von meiner Wäsche!”
“Gilt das Verbot nur fürs Wäschewaschen, oder willst du mich davon abhalten, dir an die Wäsche zu gehen?”, entgegnete Leo wie aus der Pistole geschossen und schnappte sich ein Stück Grapefruit. “Nur, damit ich Bescheid weiß. Ich kann mich nämlich genau erinnern, dass bei meinem letzten Besuch ganz andere Wäscheregeln gegolten haben.”
Macy schenkte ihm einen bitterbösen Blick, warf Messer und Brett in das Spülbecken, nahm eine Tüte Chips und eine Packung Kekse vom Regal und stürmte davon.
Schmunzelnd bediente sich Leo von dem frischen Obstsalat, holte ein Steak aus der Kühltruhe und legte es zum Auftauen in die Mikrowelle. Nach einigem Suchen entdeckte er frischen Knoblauch und Butter sowie einen elektrischen Grill. Sein Einstand hatte nicht schlecht begonnen. Vielleicht hatte er sich unnötige Sorgen gemacht. Das Einzige, was ihm nicht behagte, war die Leichtigkeit, mit der Macy ihn durchschaut hatte. Außerdem war sie viel zu attraktiv. Es würde gar nicht so einfach werden, die Hausregeln einzuhalten.
7. KAPITEL
Anton Neville lehnte am Geländer der Galerie im Obergeschoss seines Apartments, das früher einmal als Lagerhalle gedient hatte. Ein ungeschulter Betrachter konnte die Schönheit des wuchtigen Gebälks, die eigenwillige Dachschrägung oder die raffinierte Anordnung der Fenster nicht würdigen, doch Anton besaß die Gabe, verborgene Qualitäten zu erkennen. Ähnlich wie Beethoven, der eine Melodie hörte, wenn er nur die Tasten eines Flügels betrachtete, oder Michelangelo, der in einem unbehauenen Marmorblock bereits die Statue erkannte, die er daraus meißeln würde, brauchte Anton nur ein Gebäude anzusehen, um seine Möglichkeiten zu entdecken.
Er beobachtete Lauren, die eine Etage tiefer im Arbeitsbereich der Wohnung über ihrem PC brütete, und plötzlich schlich sich ein leises Unbehagen in die Zufriedenheit, die er empfand, seit sie bei ihm eingezogen war.
Lauren war ganz außergewöhnlich begabt. Richtig eingesetzt, würde ihr Talent sie noch weit bringen, viel weiter, als sie es sich vorstellen konnte. Leider war sie viel zu bescheiden. Sie unterschätzte sich und ihren Einfallsreichtum. Die Stellung bei
Girl Gear
bot ihr natürlich einen fantastischen Einstieg in eine Karriere als Mediendesignerin, aber
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