Fessle mich!: Erotischer Roman (German Edition)
musterte. Jetzt war ihr graues Kostüm – erst recht die hellblaue Bluse – völlig deplatziert. Sie spürte, wie sie rot wurde.
Aber dann ärgerte sie sich. Warum sollte sie sich schämen? Weil sie nicht um eine Frau trauerte, die sie kaum gekannt hatte?
»Wenn alle anwesend sind, können wir ja beginnen.«
Hermann Franck stand auf, kam um den Schreibtisch herum und begrüßte Pia, die sogleich ein blütenweißes Taschentuch aus dem Ärmel zückte und ihre Augen betupfte, als könne sie die Tränen kaum zurückhalten. Sie seufzte leise, als der ältere Herr Franck sie begrüßte, dann sank sie auf den Stuhl neben Isabel.
Das ganze Schauspiel beobachtete Isabel eher belustigt.
Hermann Franck nahm wieder hinter dem wuchtigen Schreibtisch Platz. Johannes stellte sich hinter ihn und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Kurz glaubte Isabel, ein aufmunterndes Lächeln auf seinem Gesicht zu erkennen, doch dann wurde seine Miene völlig ausdruckslos.
»Also. Ja.« Ein letztes Räuspern, dann begann Hermann Franck zu lesen. »Dies ist der letzte Wille von Friederike Schwarz …«
Isabel hörte schon nicht mehr zu. Was sollte da auch schon kommen? Vielleicht hatte sie ein paar Bücher geerbt oder eine Kaminuhr oder irgendeine Scheußlichkeit, die sie in Zukunft versteckte oder am besten gleich bei Ebay versteigern konnte.
»Meiner Stieftochter Pia vermache ich das Aktienpaket ihrer Firma, die sie vor Jahren in den Sand gesetzt hat. Ich habe viel Geld investiert, vielleicht kann sie’s ja noch aus der Firma rausholen.«
Isabel warf einen knappen Seitenblick zu Pia herüber, deren Gesichtszüge wie gemeißelt wirkten. Mit einer hektischen Bewegung schlug sie den Schleier zurück.
Sie hat ein hübsches Gesicht, stellte Isabel fest.
»Des Weiteren vermache ich all meine Besitztümer meiner Nichte Isabel Schwarz …«
Isabels Kopf fuhr herum.
»Was?«, kreischte Pia plötzlich völlig undamenhaft.
»… die mir nie das Gefühl gab, es ginge ihr nur um mein Geld«, las Hermann Franck ungerührt weiter.
Kunststück. Wie hätte ich das tun können, wenn ich nichts von ihrem Geld wusste?
Sie hatte den Kontakt zu ihrer Tante Friederike nie besonders gepflegt. Zu Weihnachten und zum Geburtstag schickte sie Geschenke, nie etwas Kostspieliges, aber immer mit Bedacht ausgesucht. Und sie telefonierten hin und wieder, zu Ostern mal oder mitten in der größten Sommerhitze. Tante Friederikes liebster Satz war gewesen: »Du musst uns mal in Hamburg besuchen«, und darauf hatte Isabel stets versprochen, das irgendwann mal zu tun, aber sie hatten im Grunde beide gewusst, dass es nie dazu kommen würde. Jetzt war es zu spät.
Irgendwie war es komisch, aber in diesem Moment begann Isabel, ehrlich um ihre Tante zu trauern.
Pia schien indes um anderes zu trauern.
»Das kann nicht sein«, stammelte sie. »Das … das muss ein Irrtum sein. Meine Mutter … nie hätte sie alles dieser … dieser …« Sie sprach nicht weiter, sondern biss sich auf die Lippe. Mit einem falschen Lächeln wandte sie sich zu Isabel um, die sichtlich um Fassung rang. »Nichts für ungut, meine Liebe, aber ich fürchte, da liegt ein Irrtum vor.«
Isabel antwortete nicht.
Pia drehte sich von ihr weg und konzentrierte sich ganz auf Hermann Franck, der den Rest des Testaments vorlas.
Danach stand sie auf, nickte nur knapp und stolzierte aus dem Raum.
Hermann Franck räusperte sich und raschelte wieder mit seinen Papieren. Johannes legte die Hand auf die Schulter seines Vaters und flüsterte ihm etwas zu. Dieser nickte unwirsch, und Johannes eilte hinaus. Wahrscheinlich hinter Pia her.
Aber das hatte Isabel schon bald vergessen, denn jetzt schien Hermann Franck in seinem Element zu sein. Das Testament war kurz gewesen – was nun folgte, waren aber die Auflistungen all der Güter, die zu dieser Erbschaft gehörten.
Dinge, die bald Isabel gehörten.
Wohnungen. Häuser. Konten. Aktienpakete.
Ihr schwirrte der Kopf.
Sie setzten sich an den großen Konferenztisch, und Herr Franck machte ungerührt weiter. Noch eine Liste. Noch eine Mappe. Noch ein Stück vom Vermögen, das in Isabels Gedanken zu einem Monstrum anwuchs, das sie zu verschlingen drohte.
Isabel lächelte dankbar, als Johannes eine Tasse frisch aufgebrühten Kaffee vor sie auf den Konferenztisch aus Kirschholz stellte.
»Entschuldigen Sie, Frau Schwarz«, unterbrach sich Hermann Franck. »Das muss für Sie sehr anstrengend sein.«
»Das stimmt. Aber ich würde es eher
Weitere Kostenlose Bücher