Fessle mich!
welchen Signalen kann man nun feststellen, dass ein solcher Missbrauch stattfindet?
Dr. Gloria Brame führt in ihrem Standardwerk Come Hither. A Commonsense Guide to Kinky Sex (Fireside, 2000) einige Verhaltensweisen auf, die in einer Beziehung, die durch Herrschaft und Unterwerfung geprägt ist, problematisch sein können. Dazu gehören:
Der Dominante wendet gegenüber dem Devoten auch jenseits der vorher abgesteckten Grenzen des erotischen Rollenspiels körperliche Gewalt an. So wird beispielsweise nicht klar, wo das freiwillige Rollenspiel beginnt und endet. Absprachen und Safewords werden nicht eingehalten. Statt maßvoll-sanften Schlägen auf sichere Körperzonen kommt es zum Beispiel zu Fausthieben in den Magen oder ins Gesicht.
Der Devote wird in belastende Situationen gelockt, zu denen er vorher keine Einwilligung geben konnte.
Der Devote hat Grund, Angst vor dem Dominanten zu haben, oder fühlt sich verpflichtet, seinen Wünschen Gehorsam zu leisten, obwohl er sich dabei nicht wohlfühlt. Der Dominante erreicht diese Unsicherheit durch psychischen Druck, indem er beispielsweise den Devoten für dessen Entscheidungen ständig kritisiert, lächerlich macht beziehungsweise sein Selbstwertgefühl anderweitig torpediert.
Der dominante Partner versucht, eine Form von Kontrolle auszuüben, die über den Bereich des Rollenspiels hinausgeht, indem er den Devoten von seinen Freunden, Verwandten und Bekannten zu isolieren versucht, indem er ihm damit droht, seinen Kindern, Haustieren oder Besitztümern Schaden zuzufügen beziehungsweise dieses tatsächlich tut, indem er unerwünscht in das Berufsleben oder die Finanzen des Devoten eingreift oder diesen bestiehlt.
Ein Alarmsignal kann es schließlich sein, wenn ein Partner sich vom anderen auf ungesunde Weise emotional abhängig fühlt, wenn innerhalb der Beziehung der Wechsel zwischen emotionaler Nähe und emotionaler Distanz sehr sprunghaft ist und wenn beide Partner nicht miteinander reden, sondern ihre Haltung und ihre Gefühle (insbesondere Wut und Frustration) nur noch im Rollenspiel ausdrücken können.
Es sollte jedem klar sein, dass die bloße Aufteilung der Rollen in »Herr« und »Sklave« niemandem das Recht gibt, einen anderen auf eine Weise zu misshandeln, die dieser nicht wünscht. Manche Dominante versuchen, ihr Verhalten zu rechtfertigen, indem sie behaupten, wenn der andere wirklich devot wäre, müsste er es auch mögen oder zumindest hinnehmen, auf bestimmte Weise behandelt zu werden. Vielleicht glauben Sie auch selbst, ob bewusst oder unbewusst, dass Sie es nicht besser verdient haben als so, wie es Ihnen gerade geht. Das ist aber Unsinn. Nur weil Sie sexuell gerne unterwürfig sind, haben Sie nicht weniger Rechte als jeder andere Mensch. Sie sind nur dann weniger wert als andere, wenn Sie sich diesen Schuh freiwillig anziehen. (Und selbst dann sind Sie nur in Ihrer eigenen Wahrnehmung weniger »wert«.)
Es kann gut sein, dass Sie Ihre Beziehung als unglücklich empfinden, sich aber nicht sicher sind, was eigentlich schiefläuft oder wie Sie sich am besten verhalten sollen. Möglicherweise würden Sie sich sogar wünschen, diese Partnerschaft zu beenden, trauen sich aber aus emotionaler Abhängigkeit oder aus Angst vor Rache nicht, diesen Schritt zu tun. Den besten Ratschlag, den ich Ihnen geben kann, ist, Unterstützung von außen zu suchen. Es kann auch gut sein, dass Ihr Partner Hilfe benötigt, um sein Verhalten besser in den Griff zu bekommen. Möglicherweise haben Sie Scheu davor, mit Ihrem Problem nach außen zu treten, weil Sie Dritten gegenüber nicht darüber sprechen möchten, dass Sie sich freiwillig in diese Beziehung begeben haben, oder weil Sie nicht schildern wollen, was genau Sie mit Ihrem Partner bereits im Zusammenhang mit erotischen Spielen erlebt haben. Vielleicht haben Sie auch Scheu, Dritten gegenüber das Vorurteil scheinbar zu bestätigen, dass Leute, die auf sexuelle Unterordnung und Demütigung stehen, psychische Probleme haben. In diesem Fall bietet es sich an, dass Sie bei Ihrer Suche nach Rat oder Unterstützung mit Menschen aus der SM-Szene beginnen.
Es gibt verschiedene Ansprechpartner, denen in dieser Hinsicht kaum etwas fremd ist und die genügend Erfahrung haben sollten, um Ihre Situation einzuschätzen – besser zumindest als jemand, der nur über sehr oberflächliche Kenntnisse solcher Dinge verfügt. Das Beratungstelefon des Charon-Verlages und das Mayday-Projekt (Maydaysm.de) habe ich bereits in Kapitel
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