Fest der Herzen: Geständnis unterm Weihnachtsbaum / Schicksalstage - Liebesnächte
nicht.
Thanksgiving, ging es Olivia durch den Kopf. Der offizielle Beginn der Adventszeit.
Sie stöhnte auf und zog sich die Decken über den Kopf, aber Ginger gab ein ungeduldiges leises Winseln von sich.
„Ich weiß“, erwiderte Olivia, die unter zwei Quilts und einem Flanelllaken lag, das sich so wunderbar weich an ihren Körper schmiegte, dass sie diesen gemütlichen Ort einfach nicht verlassen wollte. Sie wünschte, sie könnte einfach liegen bleiben, bis alles vorüber war. „Ich weiß, ich weiß, du musst raus.“
Ginger antwortete darauf mit einem noch beharrlicheren Winseln.
Noch ganz schläfrig schlug Olivia die Decken zur Seite und setzte sich hin. Sie trug einen grauen Jogginganzug und dicke Wollsocken – nicht gerade ein schillerndes Outfit aber warm und bequem.
Nachdem sie die Snooze-Funktion des Weckers deaktiviert hatte, damit der nicht in fünf Minuten wieder zu nerven begann, stand sie auf und schleppte sich durch den Flur in die kleine Küche auf der rückwärtigen Seite des Hauses. Auf dem Weg drehte sie den Thermostat ein paar Grad höher. Als Nächstes tastete sie verschlafen nach dem Schalter der Kaffeemaschine, um die Kanne Kaffee aufzubrühen, die sie gestern Abend vorbereitethatte. An der Tür angekommen, schob sie ihre Füße in ein altes, hässliches Paar Gummistiefel und schlüpfte in die schwere, rot-schwarz karierte Wolljacke, die Big John bei der Arbeit getragen hatte.
Die Jacke roch noch schwach nach seinem billigen Aftershave und nach Pfeifentabak. Die Hintertür klemmte, als Olivia sie zu öffnen versuchte. Während sie am Türknauf zerrte, stieß sie einen leisen Fluch aus. In dem Augenblick, in dem der Türspalt breit genug war, um sich hindurchzwängen zu können, schoss Ginger wie ein Blitz nach draußen. Dabei stieß sie ohne Rücksicht auf Verluste die Fliegengittertür auf und hechtete über die überdachte Veranda nach draußen.
„Ginger!“, rief Olivia erschrocken, dann warf sie der Kaffeemaschine einen schmachtenden Blick zu. Die dampfte zwar und gluckste vor sich hin, doch es würde noch mindestens zehn Minuten dauern, ehe genügend Kaffee durchgelaufen war, um Olivias Lebensgeister zu wecken. Sie musste unbedingt eine neue Kaffeemaschine kaufen – Position 72 auf ihrer langen Liste der Dinge, die noch zu erledigen waren. Der Timer war schon vor Wochen endgültig ausgefallen, und der Griff an der Kanne saß auch bedenklich locker.
Und wo zum Teufel wollte der Hund eigentlich hin? Ginger rannte sonst nie.
Olivia schüttelte den Kopf, um den restlichen Schlaf zu verscheuchen, dann stapfte sie auf die Veranda und ging die Stufen runter, wobei sie darauf achtete, nicht auf dem Eis auszurutschen und auf ihrem Steißbein oder in der Schneeverwehung neben dem Gehweg zu landen.
„Ginger!“, rief sie wieder, während der Hund bereits die halbe Auffahrt zurückgelegt hatte und sich unter dem Zaun hindurchzwängte, der zwischen ihrem und Tanners Grundstück verlief. Dann fegte er weiter über das verschneite Feld.
Mit vorsichtigen Schritten näherte sie sich dem Zaun und stellte sich auf die untere Querlatte. Mit einer Hand schirmte sie ihre Augen gegen die grelle Sonne ab. Wem jagte Ginger nurhinterher? Kojoten? Wölfen? So oder so würde sie sich auf einen Kampf einlassen, den eine alternde Hündin unmöglich gewinnen konnte.
Eben wollte Olivia über den Zaun klettern, um Ginger hinterherzulaufen, da sah sie in einiger Entfernung einen vertrauten Palomino, der von einem aufrecht in seinem Sattel sitzenden Mann geritten wurde.
Tanner.
Das Pferd trottete gemächlich durch die weiße Landschaft, Ginger hüpfte neben dem großen Tier herum und wirbelte bei jedem Satz Schnee auf. Wenn man sie so betrachtete, konnte man meinen, man hätte einen jungen Hund aus irgendeiner Hundefutterwerbung vor sich.
Olivia seufzte einerseits vor Erleichterung, weil Ginger sich offensichtlich nicht mit Wölfen oder Koyoten anlegen wollte, andererseits aber aus Frust, da Tanner eindeutig auf dem Weg zu ihr war.
Sie sah an sich hinunter auf ihre zerknitterte Jogginghose, die zwar sauber, an den Knien aber durchgescheuert war. Zudem zierte ihr Oberteil ein großer heller Fleck, wo es einmal Bekanntschaft mit Chlorbleiche gemacht hatte. Mit einer Hand hielt sie Big Johns Jacke zu, mit der anderen fuhr sie durch ihr zerzaustes Haar.
Tanners Grinsen war so weiß wie der Schnee ringsum, als er sich dem Zaun näherte. Auch wenn er gute Laune ausstrahlte, wirkte er irgendwie blass, und
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