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Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02

Titel: Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Nacht der Elfen
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er langsam hinunter, Stufe für Stufe, wobei er sich mehr schlecht als recht an jeder schroffen Stelle festkrallte und die Augen weit aufriss in der Dunkelheit.
    Ganz unten erwartete sie ein hämisch lachender Bran.
    »Seid ihr irgendwie aufgehalten worden?«
    Einmal mehr reckte Ulfin den Hals und bemühte sich angestrengt, den Zwerg zu erkennen, doch auf dem Grunde der Schlucht herrschte absolute Finsternis. Man hörte das Plätschern eines Wasserlaufs, und in der eisigen Luft hing ein durchdringender Schimmelgeruch, der unangenehm in der Nase biss. Die Stiefel der Ritter schlingerten auf den Kieseln oder rutschten auf schleimigen, undefinierbaren Substanzen aus, von denen schwallartig der Gestank nach verwesendem Fleisch aufstieg.
    »Was ist denn das?«, grunzte Uther. »Ein Abwassergraben?«
    »Gut geraten!«, ertönte die Stimme des Zwerges aus derTiefe der Nacht. »Verirrt euch nicht, ihr verfluchten, schwachsinnigen Pisser, sonst werden die Ratten es sein, die euch finden!«
    Ulfin hob den Blick zum Himmel und seufzte.
    »In Ordnung, Meister Bran. Du hast gewonnen. Ich bitte dich um Verzeihung ...«
    Der Zwerg schneuzte sich geräuschvoll im Dunkel, dann fuhr er hörbar besänftigt fort: »Und dick bin ich auch nicht.«
    »Nein, dick bist du auch nicht. Gehen wir weiter?«
    Auf den Kieseln waren Schritte zu vernehmen, und die Ritter fühlten, einer nach dem anderen, wie der Zwerg ihnen mit seinen kräftigen Fäusten ein Seil in die Hand schob. Dann kehrte er ihnen den Rücken, das Seil spannte sich, und er zog sie auf dem tiefsten Grunde der Schlucht hinter sich her.
     
     

IV
 Das Ende des Roten Berges

     
    Bei Einbruch der Nacht war im Wald wieder Frieden eingekehrt. Die leisen Gespräche der Elfen waren in der Dunkelheit verstummt, nachdem sie vergeblich vor der
    verschlossenen Tür der königlichen Hütte gewartet hatten, in der weder Lliane noch Llandon Schlaf fanden. Diese saßen direkt auf dem moosigen Boden, zu beiden Seiten eines Reisigfeuers, das ihre tanzenden Schatten auf die Hecken aus grünen Zweigen warf die Wände ihrer primitiven Behausung. Zwischen ihnen gab es nichts mehr zu sagen. Sie wechselten nicht einmal mehr einen Blick. Es gab nur noch das Schweigen, ein verwirrtes Schweigen, durchbrochen von Rhiannons zuckenden Bewegungen, ihrem Wimmern, das wie das einer kleinen Katze klang, und ihrer unruhigen Atmung. Jede Regung des noch schwachen und zerbrechlichen Lebens dort zwischen ihnen entfremdete sie einander ein wenig mehr. Bisweilen sah es aus, als setze der Atem der Kleinen aus, für einen winzigen Augenblick, und Llianes Herz krampfte sich zusammen, doch schon im nächsten Moment schien ihr ein Schluchzer die Erlösung zu bringen, und unter einem kaum hörbaren Wimmern, einer plötzlichen Anspannung der Glieder und einem undeutlichen Brabbeln fiel sie wieder in den Schlaf. Und jedes Mal gefror das Lächeln Llianes unter dem Blick des Königs.
    Niemand war in ihre Hütte eingelassen worden. Weder die Druiden, die die Geschenke brachten, noch die Heilerinnen, die die Königin und das Kind doch so dringend brauchten, noch Blorian und Dorian, die beiden jüngeren Brüder der Königin, die auf der Schwelle eingeschlafen waren, verwirrt und ungläubig, als sie die erregte Stimme Llandons und das Weinen ihrer Schwester vernommen hatten. Dann war der König, überwältigt von Verbitterung, verstummt.
    Er kannte sich selbst nicht wieder. War er zu lange in Loth gewesen, in der Nähe der Menschen, dass er derart von Eifersucht und Hass übermannt wurde? Konnte das sein, dass ein Hoher Elf aus dem alten Geschlecht Morigans aus Liebe heulte wie einer dieser albernen Trouvères, dieser gefühlsduseligen Minnesänger aus dem Norden des Landes? Als Lliane zu jener unsinnigen Suche aufgebrochen war, hatte sich bei ihm nach und nach das Gefühl eingestellt, sie auf immer verloren zu haben, und es hatte sich im Laufe der Zeit in Gewissheit verwandelt. Bald hatte er nicht mehr vermocht, von ihr zu träumen, ja, nicht einmal, sich ihr Gesicht vorzustellen (und die Träume Llandons bargen, wie ein jeder in sämtlichen eifischen Clans wusste, stets einen Funken Wahrheit). Das ging so weit, dass ihre Rückkehr fast schon einer Überraschung gleichkam.
    Noch bevor ihr Bauch dicker geworden war, hatten sich andere Träume eingestellt, über die er mit niemandem gesprochen hatte, nicht einmal mit Gwydion. Es waren so abscheuliche Träume, dass er mitten in der Nacht schweißgebadet erwachte und

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